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plattenkritik

benjamin biolay : à l'origine
bereits erschienen (labels/emi)

beweglich ist diese musik nicht. das soll nicht auf ihren urheber schließen lassen. immerhin gelingt es ihm, vierzehn durchaus voneinander unterscheidbare stücke aufzunehmen. diese wirken dann aber dermaßen geladen, auf allen ebenen mit saisonschmuck behangen, bis gar nichts mehr geht. die meisten zumindest sind nach fünfzehn sekunden schon so alt und charakteristisch, dass man weiß: jetzt werden die sich auch nicht mehr ändern, diese atmosphärentanker.
das beste beispiel ist der anfangssong - im doppelten sinne, er steht am anfang der platte und spricht wiederholt vom ursprung (der welt? der moderne? des menschen?) und das derartig chorverhangen, trauermarsch-offbeatig, und großräumig, dass udo jürgens' "tausend jahre sind ein tag" dagegen wie ein tag in tausend jahren wirkt. interessant wäre es, zu erfahren, ob die jugendlichen in frankreich diese art von ansprache mögen, ob sich hinter der pathetischen zivilisationskritik für sie eine distelmeyersche brüchigkeit verbirgt. überhaupt: nett ist es, wenn biolay die gitarre aus dem hintergrund nach vorne holt und das tränenreiche klavier verschließt. dann kommen sachen raus, die musikalisch auch gut zur hamburger schule passen würden (vorstellbar, wie eben jochen d. "ma chair est tendre" singt oder dirk von lotzow "mon amour m'a baisé"). mein liebstes davon ist "ground zero bar". dort hat die geste noch platz und luft zum ausholen. ob die darin enthaltene lyrische auseinandersetzung mit der poltik eine angemessene qualität und subtilität aufweist, will ich nicht verraten, so kann man im französischunterricht nochmal eine doppelstunde mit füllen.
ja, und so falsch ist der begriff des "nouvelle chanson" nicht, wobei das neue der eben aktuelle stand der produktion ist, nicht eine gelungene integrative brechung des stils. im ganzen beweist benjamin biolay dann auch eher, weshalb er ein gefragter produzent ist, das songwriting wird von dieser fähigkeit und behäbiger repetition überlagert. es könnte noch definierter sein, für meinen geschmack auch etwas kleiner, spitziger halt. trotzdem: nicht der schlechteste mainstreampop, bilder- und geschichtenreich.
(tobias ruderer)