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plattenkritik

bessere zeiten : ein bitterer abgesang
http://www.myspace.com/besserezeiten 

„anything goes!“ das gern zitierte „motto“ der postmoderne scheint verflogen, die wunschmaschinen ihrer fürsprecher abgeschaltet. angst tritt an die stelle des begehrens „you know they’ve got this anx- thing going on, well, apperently they’ve got a maschine now.” die musik bricht aus ihren bahnen aus und kreischend dröhnt büchners stimme „angst ventilator“. das gleichnamige lied steht beim debut von „bessere zeiten“ im zentrum des longplayers; irgendwo zwischen pinneberg und nirgendwo.
doch springen wir zum anfang. „oh pinnau- thrill/ whiskey generation/ meltzer on the run/ jahrmarktgreifer- gang“ klagt die stimme büchners zu jammernden gitarren, die sich nur mühsam durch das pinneberger ödland schleppen. des refrains „ungefühlte traurigkeit/ eisgekühlte leidenszeit/ einzig wahre ewigkeit/ tausend jahre einsamkeit“ hätte es dabei kaum bedurft, so passend setzen bessere zeiten ihre qualvolle ewigkeitsphantasie ins musikalische um. was bei kettcar noch als coole attitüde billig aufgesetzt wirkt, lässt mich hier immer wieder zum scotch greifen: whiskey- generation halt.
pinneberg und pluralismus? unvereinbar! und auch die von schwarz und büchner ausgerufene „neue zeitrechnung“ will so recht keine sein und stellt sie absurd/ kurios in frage. was nach oder vor „post*“ bleibt ist der rock’n roll und eine neue vorstellungskraft, ganz im sinne von tocotronic – wo es gerade musikalisch zu kook eine große nähe gibt – „let there be rock!“
und dann gibt es da noch doktor elan. eine obskure figur, dem pinneberg der depressionen entflohen, dem motto „ nur weg von diesem soziotod“ gefolgt. als liedzitat bei bravecaptain entliehen, kämpft auch elan „gegen die welt“. in einer wundervoll getragenen ballade geht es lediglich um die rettung der menschheit. irgendwo zwischen dem evakuieren einer milz und dem revitalisieren von erfrorenen lebern geht elan seinen weg, wie ein heilsbringer, ein pluralist, ausgebrochen aus den grauen ewigkeitsphantasien: anything goes!
doch elan bleibt einzigartig in diesem düsteren abgesang. einem abgesang auf wünsche die zu schatten werden, toten emoticons und dem letzten kuss vorm untergehen. frage ich mich nur, wann ein solches album über hamburg geschrieben/ vertont wird?! es wird höchste zeit!
eine groteske und äußerst stimmungsvolle reise durch das ödland pinneberger erinnerungen, die irgendwo zwischen portugals goldener generation und der großen melancholie lanciert. deutlich selbstständiger als aktuelle „hype- bands“ wie kettcar oder tomte präsentieren bessere zeiten ihr debut. alten helden wie blumfeld, tocotronic oder die manics klingen als musikalische vorbilder durch, ohne jedoch die eigenständigkeit von schwarz/ büchner in frage zu stellen.
(jf)