blumfeld
- konzertrückblick 21.10.03 / große freiheit 36 / hh
darauf
hatte sich hamburg schon das ganze jahr gefreut, und blumfeld auch,
denn wenn dieses hamburger urgestein, um mal einen mineralogischen
fachbegriff zu gebrauchen, in der großen freiheit aufspielt,
verspricht das traditionell große emotionen. 'von gefühlen
leiten' (zit.) ließ sich zunächst nur die band und hamburg
brauchte etwas länger, was wohl auch mit dem etwas missmutigen
empfang des neuen blumfeld albums 'jenseits von jedem' zu tun haben
mochte. aber schließlich ist man hier zu hause und jochen
distelmeyer sagt 'hallo' und animiert das publikum auch zu einer
zögernden antwort. 'hallo jochen', in jeans und weißem
hemd, blumfeld die erste.
'armer irrer' liegt jochen am herzen - warum, sagt er nicht - gefolgt
von 'wir sind frei'. bei der ersten single aus 'jenseits von jedem'
geben die bläser ihren einstand des abends und wenigstens der
mensch neben mir reckt zu der potentiellen hymne seine faust gen
himmel. die nächsten fünf songs sind ein ausflug in die
vergangenheit der band zwischen 'l'etat et moi' und 'testament der
angst' und bei 'status quo vadis', das im tempo angezogen erscheint
(hamburg beweg dich!), wird mir mal wieder klar, dass es kaum eine
schönere stimme für diese songs geben könnte. wie
auch bei dirk von lotzow verschmelzen inhalt und ausdruck zu einer
einzigartigen form von relevanter präsenz. wieder 'in der wirklichkeit'
angekommen (dieses set ist wirklich verdammt gut durchdacht) rüttelt
'der sturm' die masse wach und endlich sieht man kleine flammen
aus feuerzeugen und herzen schlagen. am ende des songs nehmen sich
stimme und instrumente immer weiter zurück, um im klimax den
ruhigsten punkt des konzertes zu erreichen und danach den rock loszubrechen:
von 'alles macht weiter' bis 'diktatur der angepassten'. danach
hat jochen noch die kraft, 'so lebe ich' zu spielen, alle anderen
ergeben sich in stagnation. falls sich das so anhört, als ob
die zuhörerschaft anteilnahmslos herumhing, sollte ich erwähnen,
dass der applaus zu diesem zeitpunkt schon leidenschaftlich und
gewaltig war, lediglich das 'wir-gefühl' fehlte. aber da holt
die band zum schlag aus, ohne gefällig zu werden: blumfeld
die zweite.
herr distelmeyer, nun in schwarzem hemd und allein mit 'tausend
tränen tief', als sei es das erste mal. vollkommen. und wußtet
ihr, dass wasser aus flaschen zu trinken, sexy aussehen kann? neben
mir wird geschmust und gelächelt. lord distelmeyer, herrscher
über einen mikrokosmos, läßt das lied mit den worten
madonnas ausklingen und erklärt, dass es ein turbulentes jahr
war. alle rutschen ein wenig enger zusammen und belohnen den einsatz
des saxophons in 'graue wolken' mit szenenapplaus. beim finale mit
'verstärker', liebevoll durch samples gebrochen, gibt es dann
kein halten mehr und ich habe schon wirklich lange nicht so anhaltenden
beifall vor hamburgs bühnen gehört. da müssen blumfeld
einfach erneut nach vorn kommen und sei es nun geplant oder eine
spontane wahl gewesen: 'die welt ist schön' war irgendwie richtig
an diesem punkt, auch wenn er zu diesen songs von 'jenseits von
jedem' gehört, die skepsis hervorriefen. 22 stücke, ein
theaterreifer abgang um mitternacht und die gewissheit, dass wir
diese band vermissen würden, auch wenn sie nie existiert hätte.
(ww)
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