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plattenkritik

blumfeld - verbotene früchte
vö: 28.04.06 (columbia/sony)

"wie ein fragezeichen sitze ich hier vor einem weißen blatt papier..." was machen eigentlich die einstigen musikalischen indie-götter aller selbstverliebten literatur-und kunststudenten? nun, blumfeld haben mal wieder eine platte gemacht, das lineup der band wurde schon wieder ausgetauscht und das label wurde mal wieder gewechselt. es ist nicht einfach eine band noch halbwegs objektiv zu beurteilen, wenn diese dermaßen neue pfade beschreitet und alles über bord geworfen hat, für das sie einst stand und man sie dafür jahrelang innig liebte?
nein, ich will hier nicht auf der glorifizierungswelle von meilensteinen wie 'ich maschine', 'l'etat et moi' oder 'old nobody' herumreiten, aber was mit 'testament der angst' im wahrsten sinne beängstigend anfing, findet nun mit 'verbotende früchte' seinen negativen höhepunkt!
glaubt distelmeyer mit naivem naturprosa eine neue revolution zu entfachen, oder was? haben wir etwa vielleicht doch immer vielzuviel in seine texte hineininterpretiert? haben wir ihn doch völlig überschätzt? man scheint es langsam wirklich zu glauben. oder ist er des kampfes überdrüssig geworden? ich glaube ich brauche hilfe, denn ich verstehe diese deutsche anti-progressive musikwelt langsam nicht mehr.
ist das schwulstige naturbesingende, esotherik-prosa à la blumfeld 2006 nun die große offenbarung? fast scheint man zu denken, daß jochen distelmeyer daran fest glaubt. ironie und zynik ist den texten jedenfalls kaum mehr anzumerken. eher schleicht sich der eindruck eines gefallenen helden ein, der zum denkmal hochstilisiert wurde und sich nun selbstverliebt nur noch in flachen phrasen windet und diese dann zu höherem kürt. an eine musikalische revolution hatten viele fans nach dem letzten schwachen album gehofft, aber was tritt denn nun ein ?"classic-pop" is the new pop? texte die xavier naidoo nicht hätte schlimmer rausätzen können schmerzen das ohr. dümmliches, peinliches vibrato in die stimme gemischt.
hilfe, reine vaterfreuden können es ja alleine nicht sein, oder? ok. oder wir sollen doch sagen: scheiß auf deutsche texte? nein, songs wie 'tics' und 'schnee', welche positiv heraustechen, zeigen mit ihren tollen texten, daß es ja doch noch gehen könnte. musikalisch ist 'verbotene früchte' aber leider auch schlicht, fast langweilig, oft ein bißchen schlecht zusammengespielt und ohne risiko zusammengekloppt. sorry, so klingt diese grünzeug-kiste einfach. waren auf vorherigen alben immer noch tolle popsongs zu finden, ist nun alles nur noch so mittelmäßig, wenn nicht sogar oftmals schlecht. nein, als fan ist man ja geduldig, sicher werden wieder zehntausende unendwegter blumfeld-gläubiger dieses schmierstück an schlagerjeskem pop erwerben, aber ich bin nun endgültig raus. 'der apfelmann' distelmeyer hat mit dieser platte seiner band vielleicht den todesstoß versetzt. ein freund meinte schon nach 'old nobody' die band solle sich doch nun lieber in 'kornfeld' umbenennen. nun kann ich das auch nur noch unterstreichen. ganz traurig und unsagbar schade, wie eine ikone schwer staub ansetzt. fazit: bitte, bitte ganz schnell auflösen, sonst schlägt enttäuschung schnell in agression um und die umgibt uns ja schon genug.
(benny ruess)