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plattenkritik

calexico - garden ruin
bereits erschienen, (city slang/rough trade)

vielleicht kann man die vokabeln vom konzeptionellen aufbruch, der künstlerischen weiterentwicklung und dem soundtechnischen wagnis, die mit dieser platte vermeintlich einhergehen, getrost weglassen. dass der hinweis auf ein neues werk unserer mexifornischen freunde inzwischen auch zum öffentlich-rechtlichen informationsauftrag gehört, hat zwar was zu bedeuten, aber durch eben diesen filter gesehen, entstehen dann auch die eingangs genannten verzerrungen. also so weit her ist es nicht mit der veränderung, obwohl tatsächlich eine verschiebung stattgefunden hat. der hinweis, dass das werkzeug für die songentstehung häufiger die akustische statt der westerngitarre war, ist ein guter schlüssel. unter anderem dafür, dass joey burns und john convertino sich so weniger auf eine drahtig-surrende wüstenstimmung verlassen konnten, sondern die richtung eines amtlichen songs suchen mussten, denn sie dann unter hinzunahme eines produzenten (dies eine premiere) angefüttert haben, was sich hier und da auch noch strukturell niedergeschlagen hat. das ging soweit ganz gut. doch der reihe nach und sehr subjektiv: das erste stück (uptempo) ist etwas langweilig und hätte es mir fast verdorben, um so mehr, als dass das zweite (downtempo) es nicht viel besser macht. vom gefühl her gefüllte filler. bisbee blue (3) lässt aufhorchen. aufmerksame produktion, die fast vollständig von der materialität der klampfe erfüllt ist, bevor eine unterhaltsame spielerei durch die register draus wird. der oktavierte gesang auf »panic open string« (4) ist ein highlight, überhaupt scheint es so, als hätten sie den bläsern die instrumente weggenommen, worauf diese zur chorsängern wurden. deshalb ist "garden ruin" auf keinen fall bissig, eher verklärt, auch wenn die texte genau die umgekehrte richtung genommen haben mögen. nummer fünf könnte man fast für vom opener infiziert halten, wenn da nicht dieser aufmüpfige refrain wäre, denn man fast nicht um die ecke kommen sieht. rock'n'roll riffs & voices. der spanische frauengesang im zeitlupensalsa »roka (danza de la muerte)« rührt an eine persönlich verschuldete und illegitime toleranzgrenze im autor, die sich jedoch im angesicht des gegenstandes als kleineres problem erweist, denn schon die nächste nummer, lucky dime (7) ist perfektes akustisches popsongwriting, weich, wissend, wandernd. reue trieft in »smash«, die steel guitar heult, ich mach jetzt den rotwein auf. eigentlich ein typischer calexico-song, aber auch er lässt mich immer wieder an das händchen eines produzenten (jd foster, übrigens) denken, vor allem wenn orchestrale bolero-rhythmen aus der traurigkeit eine tragik machen. schon öfter fiel mir bob dylan ein, anlässlich des neunten titels erwähne ich ihn. zum ersten mal würde ich gern auf die stimme verzichten (was übrigens kein stück auf der ganzen platte macht), weil das dreckige rock-instrumental zusammen mit dem orgelstaccato so manches anrichten könnten. aber so landet man bei elegie statt elektrizität. ein so anglifiziertes französisch wie auf »nom de plume« (10) habe ich schon seit stings »la belle dame sans regrettes« nicht mehr gehört. das klingt immer so wie italienisch, und macht jede weiter beurteilung zu einer schmunzelnden, was aber anlässlich des letzten songs, »all systems red« die falsche reaktion wäre. der titel bezieht sich auf einige dispositionen für die die regierung unserer calexikanischen freunde verantwortlich ist, und ist eigentlich auf seinem weg von hilfloser traurigkeit zu wütender zerstörungswut nicht so stark. erst einmal bei letzterer angekommen schrillt, verzerrt und pfeift es zwar ganz ordentlich, aber na ja, könnte auch darin cleverer sein. die bis dato wahrscheinlich erfolgreichste platte der band ist vom unterhaltungs- und gebrauchswert her gesehen ganz formidabel.
(tobias ruderer)