plattenkritik
divine
comedy : oder die wiederentdeckung des stils obwohl schon vor 15 jahren gegründet und obwohl ihr debut bereits 1990 erschien sind divine comedy in deutschland noch relativ unbekannt bzw. bekommen nicht im entferntesten die ihnen gebührende aufmerksamkeit. bleibt zu hoffen, dass sich das mit ihrem neuen album absent friends ändern wird (s. rezi). als neil hannon, songschreiber, sänger und einziges ständiges bandmitglied 1990 mit 20 sein erstes album 'fanfare for the comic muse' mit zwei freunden herausbrachte, war er noch sehr von seinen musikalischen vorbildern geprägt. er selbst sagt, sie hätten damals versucht, wie die smiths oder ride zu klingen. das hört man dem album auch an. heute verschweigt hannon dieses frühwerk gerne; denn erst mit ihrem zweiten album 'liberation' entwickelte hannon den typischen, ganz eigenen divine comedy stil. die sessions für dieses album nahm er tatsächlich auch alleine auf. das debut wurde deshalb auch nie wiederveröffentlicht und erreicht bei ebay und auf plattenbörsen inzwischen sehr hohe preise. was hannon ab 'liberation' geschaffen hat, ist beinahe eine art coporate identity. schöne popsongs mit viel kitsch und streichern. dazu noch ein gewisses boheme/intelektuellen flair im stil des späten 19. jahrhunderts und 60er anleihen. da ist der name nach dantes göttlicher komödie natürlich wunderbar passend. das äußert sich nicht nur musikalisch sondern auch optisch. hannon selber tritt meist in anzügen auf und auch die fotos, fast ausschließlich von dem fotografen kevin westenberg in szene gesetzt, tun ihr übriges, hannon wie einen eleganten intelektuellen dandy wirken zu lassen, wenn er etwa für das casanova cover in venedig in 60ties anzügen vor palästen posiert oder wie auf dem fin de siecle cover vor schuberts grab. die passende literatur gibt er in dem song booklovers an, in dem er vier minuten lang mehr oder weniger bekannte autoren aufzählt. musikalische vorbilder covert er denn auch gerne: scott walker, jacques brel, kraftwerk, talk talk, frühe status quo und traditionals. divine comedy liefern also eine komplette welt zum wohlfühlen. und ein wort wird hier in jeder hinsicht sehr groß geschrieben: stil! seit dem liberation-album 1993 perfektionierte hannon dieses bild immer mehr. hörte man zunächst kleine kammerorchester auf den alben, wurden die orchester nach und nach immer größer. die ausladenden arrangements gipfelten schließlich in songs wie der späten version von 'timewatch' und dem wunderbaren 'sweden', das sogar etwas an brecht/weil erinnert! ende der 90er tourten divine comedy mit großem orchester. die band war seit 1996 nicht mehr verändert worden und auch der erfolg stellte sich nun (in gb) ein: ausverkaufte shows, viele chartplatzierungen, konzerte mit robbie williams und r.e.m. und ein titelsong für eine bbc sendung. 2001
kam mit dem neuem produzenten nigel godrich (travis, radiohead etc.)
eine wende. plötzlich ließ sich neil hannon die haare
wachsen, lief in turnschuhen und schlabberklamotten rum und wurde
nicht müde zu betonen, dass divine comedy nun eine band sei,
die aus vollkommen gleichberechtigten mitgliedern bestehe. das folgende
album 'regeneration' war dann auch sehr viel einfacher: weniger
bis gar keine streicher, schlichte arrangements. diese songs waren
nun wieder ohne orchester aufführbar. diese phase war aber
recht kurz: nach der drauffolgenden tour warf hannon die komplette
band raus und zog sich zurück. viele glaubten an ein ende von
divine comedy. doch in diesem jahr endlich wieder ein neues album:
'absent friends', auf dem hannon wieder zu alter stärke zurückgefunden
hat. nahezu wieder im alleingang aufgenommen und selber produziert
hat hannon da weitergemacht, wo er mit 'fin de siecle' 1998 aufgehört
hat (s. rezi). nur joby talbot von der alten band half wieder mit
seinen perfekten streicherarrangements. auch optisch ist hannon
wieder der alte: mit schicker kurzhaarfrisur und anzug! und getourt
wird wieder mit orchester (halderner open air!)! das ist die wiederentdeckung
des stils! wunderbar!
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