plattenkritik
giovanni
ferrario : headquarter delirium es
gibt eine italienische undergroundszene. von dessen bestehen wissen
zwar selbst vor ort ansässige indienerds nichts, aber das tut
der musik, die aus dieser szene kommt, keinen qualitativen abbruch.
giovanni ferrario ist jemand aus dieser kleinen kulturnische, einer
der wenigen, die es geschafft haben, im europäischen und sogar
transatlantischen ausland auf sich aufmerksam zu machen. nach drei
projekten mit ausländischen musikern unter dem bandnamen "micevice"
arbeitet ferrario mit john parish und pj harvey zusammen. mit nennung
dieser musiker sind auch schon die wohl wichtigsten, zumindest aktuell
wichtigsten, einflüsse auf ferrarios erster soloplatte beschrieben.
insbesondere der beginn von "headquarter delirium" erinnert
an john parishs atmosphärisches meisterwerk "how animals
move" von 2004. klangwelten bauen sich auf, aus denen immer
wieder einzelne klänge von trompeten, piano und xylophon ausbrechen.
ferrario spielt mit den instrumentalen möglichkeiten des mediums,
ohne die übersicht zu verlieren. seine experimente sind feinfühlig
kalkulierte arrangements, denen der gesang ersteinmal untergeordnet
ist. das ist die stärke von ferrarios platte, diese fähigkeit
psychedelischen rock mit reminiszenzen der 60/ 70er jahre in eine
delirische verbindung zu bringen. wenn sich jedoch im laufe des
langen albums diese psychedelischen passagen auf den gesang ferrarios
übertragen und das songwriting und der gesang gegenüber
der musik in den vordergrund rücken, verliert ferrario die
harmonische balance zwischen musik und gesang. das ist keineswegs
abwertend gemeint. ferrario scheint eher der realität tribut
zu zollen, wenn er in stetiger wiederholung "the war is over
now" ins nichts hinein singt. alles in allem eine mehr als
lohnenswerte platte, die insbesondere durch den sicheren umgang
mit musikalisch anspruchsvollen arrangements besticht.
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