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plattenkritik

jamie t : panic prevention
v.ö.: 02.02.07 (virgin)

warum kann nicht mal einer wie jamie t. an plätzen aufwarten, wo sich hierzulande panflötenvirtuosen und gesangsunbegabte teeniepunks die klinke in die hand geben? schließlich hat auch james treays aus wimbledon/london mal mit einer akkustik-bass-gitarre klein angefangen, zwar nicht an straßenecken, sondern auf open-mic bühnen, aber wenn sein bänkelsängertum in bestem cockney rap mal nicht street credibility besitzt, dann weiß ich auch nicht. nun avanciert jamie in großbritannien gerade zu einem männlichen pendant der lily allen, der mit mike skinner englisch und einer punk inspirierter mischung aus new wave rock und drum’n’bass durchaus chartkompatibel an den erfolge von etwa the streets anknüpfen könnte. der 20jährige macht keinen hehl aus dem lehrstuhl an vorbildern, dessen er sich bedient.
"ich spreche gerne über andere bands und musik, die mir gefällt, und wie ich sie für meine eigenen zwecke verwende. jeder meiner songs basiert ursprünglich auf einem song, den es schon gibt. es ist eben viel einfacher, sich andere sachen anzuhören und diese dann zu nutzen, denn da hat ja schon jemand die hälfte der arbeit für dich erledigt. ich vermute mal, dass diese arbeitsweise in gewisser hinsicht ziemlich unerwachsen ist – man schmeißt einfach irgendwelche sachen zusammen, mixt verschiedene musikstile miteinander und schert sich einen dreck darum, ob das dann authentisch klingt oder nicht. ständig höre ich: ,das kann er doch nicht machen, das ist ja grauenhaft!’. scheiß drauf, mir doch egal! und überhaupt: wer will schon alt werden? da bin ich doch lieber jung und ein spinner!"
beispiel: der song "alicia quays" auf grundlage eines stückes von alicia keys.
"das klang alles ziemlich traurig, lauter moll-akkorde. irgendwann habe ich dann diese klavier-sache einfach gelöscht und aus der vorhandenen idee am rechner einen völlig neuen song entwickelt. darauf habe ich dann, im zustand kompletter volltrunkenheit 15 minuten freestyle gerappt. den text haben wir später auf fünf minuten gekürzt und dabei nur die besten zeilen verwendet. trotzdem habe ich den song letztlich ,alicia quays’ genannt, weil ich mich bei der titelwahl immer an den songs orientiere, die mir als ausgangspunkt gedient haben."
diese aufrichtigkeit lässt sich nur zu gute jamie t’s anrechnen, denn wenn er punk, garage, reggae, dub und ska unter hip hop beats und drum loops ineinander fließen lässt und mit spoken word samples oder kumpelchorgejole verziert, dann stagniert das ergebnis nicht in einer kopie, vielmehr dringt die besonderheit des arrangements von kleinigkeiten durch jede teenageangstschweißabsondernde pore. wenn das leben auf der überholspur der alkopopverseuchten lad-jugend so klingt, dann habe ich nichts dagegen, denn der paranoide teil des vollrausches wird bei jamie t. nicht verneint, sondern thematisiert.
dass songs wie "alicia quays", "ike and tina" oder "calm down dearest" in den kinderzimmern britischer vorstädte entstehen, lässt die hoffnung an die jugend von heute als "creative force" der zukunft blühen, auch wenn ihnen das scheißegal ist.
(ww)