home                                     club        musik        konzerte
plattenkritiken | popnews | interviews | popclassics | clubplaylists | plattenlabels

plattenkritik

kante - zombi
vö 16.08.04 (labels / emi)

vor drei jahren beglückte uns die hamburger band kante nach einer schon schier endlos scheinenden wartezeit mit der großartigen platte "zweilicht". vier jahre nämlich lag das eher unbeachtete debutwerk "zwischen den orten" zurück, ein erster versuch, die gegenwartsmusik neu zu definieren.
klangelemente verschiedenster instrumente werden ineinandergelegt, um liedtitel melodisch darstellbar machen zu können. der versuch, die im albumtitel zu erkennende unruhe aufzuzeigen, war ein gewagtes künstlerisches experiment, das seinen vorläufigen höhepunkt in "life on electric avenue" erreichen sollte, 2001 auf "zweilicht". die geschichten von liebschaften werden im scheinbaren vorübergehen besungen, "einen verhangenen see entlang denk ich im zug an dich und frage mich, ob wir mal zuviel oder zuwenig sagten". eine konstante, die sich auf allen drei alben wieder findet. liebe und bewegung stehen für eine nicht näher definierte suche. ob nach einem lebensinhalt, der liebe oder einfach der heimat/ dem zuhause gesucht wird, bleibt offen. "andere sagen über dich, …, dass du so unbemerkt verschwindest, wie du gekommen bist" heißt es auf "zweilicht" und wirft ein atmosphärisches gefühl auf, dass sich auf kantes neuem album "zombi" fortsetzt. stets ist das besungene nur schwer greifbar, trotz der oft prosaisch gehaltenen texte. wie geister und gespenster legen sich die inhalte in die mannigfaltigen melodiewelten.
"zombi" ist die geschlossenste platte der band, gliedert sich in atmosphärisch ineinander verschränkte klangbauten. diese beginnen wie kante immer beginnt, mit in den raum verstreuten klängen, die sich langsam zu einer einheit formieren, und von da an, von dem ersten moment der musik an, größe, umfang, klang und form gewinnen. "zombi" ist deutlich mit der handschrift kantes geschrieben, eine wiedererkennung findet auf zahlreichen ebenen statt, doch belässt es die band nicht bei einer kopie ihres vorherigen werkes, sie denkt es weiter, komponiert noch komplexere lieder, läßt dem songwriting mehr aufmerksamkeit zukommen. peter thiessens blumfeldjahre sind hier so nahe wie noch nie zuvor. der gesang von einer "zweilicht" prägenden monotomie entwickelt sich hier zu einer drängend majestätischen stimme eines verlorenen erzählers, euphorisch und dunkel zugleich. "zombi" ist wesentlich songorientierter als die vorherigen platten. trotz der produktion von tobias levin klingt gerade das kernstück des albums, "wenn man die hand vor augen nicht mehr sieht", eher nach der handschrift von chris von rautenkranz. doch kante bleiben in jedem moment der platte sie selbst. die verschiedenen stileinflüsse vom motown jazz bis hin zu südamerikanischen klängen und bluesrhythmen sind einzigartig miteinander verwoben und rufen ein sehr dichtes atmosphärisches stimmungsbild auf. ein bild, das nur umrisse von einem "wir", dem zeitgeschehen und subjektiven empfindungen zulässt. die möglichkeit des handelns wird stets angedeutet, "wir stehen auf der schwelle einer neuen zeit" oder "wir sind ein riss, ein sprung, ein spalt, wir sind das licht der möglichkeit", allerdings nicht umgesetzt. vielmehr wird eine art schwebezustand auf der schwelle zur entscheidung dargestellt, "…wir sind das licht der möglichkeit, für einen endlosen moment, wenn man im atmen innehält". schwer greifbar ist die atmosphäre von "zombi" und schwer zu beschreiben sind die vielfältigen klangwelten. kante ist eine außergewöhnliche platte gelungen, die sich selbst von der gerühmten hamburger musikszene absetzt und irgendwo gespenstisch auf der schwelle zwischen bekanntem und neuaufbruch schwebt.
(jf)