kasabian
- kasabian (limited set mit l.s.f. ep)
bereits erschienen (sony/bmg)
irgendwie
sind uns kasabian im letzten jahr rezensionstechnisch durch die
lappen gegangen. das konzert im logo wurde wohlwollend, aber verharmlosend
besprochen (ich zitiere mich an dieser stelle selbst: "einfach
gestrickt, aber nach einem bewährten muster”). nun ergibt
sich mit der limitierten version des albums, das zusätzlich
die "lsf" ep im gepäck hat, gelungener weise noch
einmal die möglichkeit, den kulturellen sprengstoff zu zünden,
den diese band liefert. meine damen und herren: ein popkulturelles
lehrstück.
den vergleich mit dem manchester-rave ziehe ich nicht zurück.
schließlich nennen kasabian selbst die referenz zu den stone
roses und der arbeitsweise von primal scream. letztendlich erinnert
ihr vorgehen und auftreten aber an die etwa 2 jahre zuvor gefeierten
cooper temple clause. kinder der britischen popkultur der 90er,
die sich die freiheit nehmen, rock’n’roll, hip hop und
elektro zu mischen und diese melange identitätsstiftend mit
einem eigenen stil aus second hand klamotten, britpopfrisuren und
proletarischen gesten anzureichern. zitate über zitat verlieren
sich aneinandergereiht und ergeben ein eigenständiges, betörendes
aber auch schnell verblassendes muster. was kasabian als lebensabschnittsbegleitmusik
so herausstechend markiert, ist ihr aggressives marketing, das anfänglich
bar jeder offensichtlichkeit existierte. vom nme auf die titelseite
gehypt, das kennen wir schon, aber gleichzeitig von arte als "das
spannendste, was die britische insel derzeit zu bieten hat.”
gelobt zu werden...
erklären läßt sich das vielleicht folgender maßen:
kasabian provozieren, und zwar nicht mit frivolen gesten oder pöbeliger
attituede, sondern bedienen sich hierfür aus einem zeichenarchiv
über dem die wörter "terror, wahnsinn und destruktion"
tronen. benannt nach der geliebten des anstifters zum mehrfachen
mord charles manson ziert das konterfei einer/s autonomen sowohl
album als auch jede einzelne single, sowie merch-artikel der band.
ob in blau, grün, gelb oder rot, es erinnert an die sprüh-schablonen-bilder
diverser gegenbewegungen im ideologischen strassenkampf, ob che
guevara portrait oder punk schriftzug. linda kasabian ein vorbild?
musik als politisches statement? aber anders als schocker-rocker
m. manson* können die briten keine reflektierte erklärung
für ihre namenswahl abgeben. tom meighan bei "tracks"
(arte): "charles manson ist ein geisteskranker typ. das ist
alles was, uns mit charles manson verbindet. nicht mehr und nicht
weniger. wir haben uns nach linda kasabian benannt – sie war
die fahrerin. das ist wirklich alles, nicht mehr als ein name."
ja, ja. wir sind geisteskrank und denken auch sonst nicht über
unser bild in der öffentlichkeit nach, oder wie? keine lust
sich zu erklären oder tatsächlich autodidaktisch und ohne
ahnung unterwegs? ok, eskobar haben ihren namen auch nur des wohlklangs
wegen ausgewählt, aber die schweden hausieren auch nicht mit
drogen und maschinengewehren auf ihren plattencovern.
anarchie ist sexy. erstrecht, wenn sie mit einer vertrauenswürdigen
kollektion von streifen- und ringel-shirts und dieser putzigen ian
brown pose kombiniert wird. und das ist verkaufsfördernd. passend
zum konzept setzt man die jungs im video zu "lsf" (auf
der maxi zu finden) mitten unter "bösen mädchen"
in szene: kasabian bei einem auftritt vor den weiblichen insassen
einer strafanstalt. die harten damen erwecken allerdings eher den
eindruck, wegen wahlweise prostitution oder zuhälterei in haft
zu sitzen, als wegen beihilfe zum massenmord, und politische motivation
ist ihnen dank make-up und abziehbild-tatoos auch nicht zuzutrauen.
kasabian wirken lächerlich bis verloren gegenüber den
verzückungsschreien der ladys, aber sie sind ja eh nur zum
konzert angetreten, weil sie den schlüssel für den kollektiven
ausbruch vorbeibringen wollten. wer da seine seele am ende verliert,
liegt auf der hand, denn eigentlich haben kasabian es nicht nötig,
ihre musik in hohle, geil aussehende vasen zu füllen.
alle singles sind prima feier kracher und wenn nach "club
foot", "cutt off", "processed beats",
"l.s.f" (lost souls forever) und "reason is treason"
auch noch die tanzorgie "test transmission” und das
phantastische "id" ausgekoppelt werden sollten, dann
haben es beinah drei viertel des albums in die selbstständigkeit
geschafft. ich empfehle durchaus den kauf von album und singles,
denn die remixe sind für sich noch eine anschaffung wert, und
wenn jemand einmal kasabian daran erinnern mag, daß namensgeberin
linda diejenige der manson-girls war, die letztendlich als kronzeugin
ihren ex ans messer der justiz lieferte, dann wird vielleicht aus
kasabian noch eine runde sache.
(ww)
|
|