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plattenkritik

leonard cohen : dear heather
bereits erschienen (sony)

"dear heather | please walk by me again | with a drink in your hand | and your legs all white | from the winter”. cohen ist zu seinem 70. geburtstag mit seiner platte "dear heather” zurück auf der musikbühne. auf sein leben zurückblickend besingt er die jugend und das alter in traurig sehnsüchtiger art, doch zugleich vermitteln die textinhalte die lebensfreude und vitalität des alten mannes. die zeilen cohens gleichen weniger denen eines johnny cash, der in unaussprechlich bedrückend trauriger art in seinen letzten werken "solitary man" und "the man comes around" den eigenen tod thematisiert, und den wunsch "we’ll meet again" nicht einhalten kann, als vielmehr denen eines alten erzählers. erzählen über die liebe. cohens liebe zu den frauen erscheint verlangend und betrogen und untersteht doch einer ganz körperlosen liebe, der zu new york. während die erstere liebe aus dem ambivalent leid und geborgenheit besteht und somit auch eine zerstörerische komponente enthält, entwächst aus der zerstörung einer stadt lediglich mehr liebe und zusammenhalt. ein gegensatz der von cohen in "there for you", einem kernstück des albums, weitestgehend aufgelöst wird. diesem unpersönlich gestalteten liebessong mag eine metaphorische ebene zugeschrieben werden. doch die auslegung der zeilen "when it all went down | and the pain came through | i get it now | i was there for you | … | i see my life | in full review | it was never me | it was always you" ist aufgrund der doppelhaftigkeit vernachlässigenswert. "there for you" wird so zu einer das leben und die liebe feiernden liebeserklärung.
im gegensatz zu "ten new songs", cohens letztem album, das sich besonders durch dunkelheit und stille auszeichnet, erscheint seine jüngste platte wie eine rückkehr zur farbenfrohen, vielfältigen welt. diese manigfaltigkeit drückt sich besonders stark in den musikalischen vorbildern der platte "dear heather" aus. cohens typischer sprechgesang, starke, nostalgische popchöre, einflüsse aus dem mittleren westen amerikas und besonders frohe klänge der südstaaten vermitteln das gefühl einer reise durch die musikalische geschichte der usa. nostalgie und aktualität vermischen sich zu einem interessanten geschichtenkomplex aus der sicht eines starken, alten mannes. cohen schafft ein weitestgehend geschlossenes bild einer romantisch realistischen weltsicht und ein in sich stimmiges gefüge musikalischer stile. lediglich die vom sprechgesang geprägten songs brechen den stimmungsbogen auf, erscheinen zu pessimistisch und düster und schaffen kein solch homogen brilliantes stimmungsbild, wie es auf "songs from a room" vermittelt wird. doch dieser bewusste bruch von kunst/erinnerung und realität, der wieder auf die ambivalenz der liebe verweist, erscheint nur allzu plausibel: die wahlnacht in den usa läuft, die prognosen sprechen gegen kerry.
(jf)