indie-girl-leiden/indie-boy-leiden
the organ: grab that gun (too pure/beggars/indigo)
i love
you but i've chosen darkness : fear is on our side (secretly canadian/cargo)
bereits
2004 erschien das debut der kanadier the organ in übersee und
mag man es der anhaltenden begeisterung für retro-sounds der
80er oder der allgemeinen begeisterung für die kanadische musikszene
anrechnen, wir werden froh sein, dass the organ nun auch dem europäischen
markt zugänglich gemacht werden.
die 5 frauen aus vancouver faszinieren die musikszene nicht zuletzt,
weil sie so harmonisch unsere geschlechterrollen aufwühlen.
was seit courtney love und pj harvey überflüssig zu thematisieren
schien, ist plötzlich wieder diskursiver mittelpunkt. die "whimpster"-frau,
burschikos, androgyn, wie auch immer, vielleicht lesbisch. alles
eine gefällige verpackung (die an anderer stelle diskutiert
werden kann) für folgenden inhalt: beunruhigender, monoton
bis repititiv veranlagter, getragener new-wave-indie-rock, in dem
ein formelhaftes ausmessen von angstzuständen, wie es der throwing
muses erinnert, mit der leidgetragenen intonation eines morrisseys
verbunden wird.
all das mag sich nicht sonderlich positiv anhören, positivismus
an sich liegt für the organ im dunkeln, und deshalb muss ich
erklären, dass ich ein sehr positiver, lebensbejahender mensch
bin, die sorte von: hej, dein bruder hat sich erschossen, deine
freundin dich verlassen, du arbeitest 14 stunden täglich und
weisst nicht wofür… egal, denn da gibt es menschen, die
dich brauchen und du brauchst sie und nachts stehen für alle
die sterne am himmel.
das ist natürlich alles lüge: die menschen werden gehen
und der himmel ist oft genug bewölkt, und das weiß ich.
alles eine frage der perspektive und deshalb brauche ich, brauchen
wir the organ. weil sängerin katie sketch nicht an das wort
liebe glaubt, aber an deren fragmente. die vergänglichkeit
wird hand in hand mit der verletzlichkeit eines stabilen zustandes
zelebriert. wer sich hilflos grossen gefühlen ausgesetzt sieht,
der muss ihrer realität misstrauen. glück, liebe, gutes,
das sind hier nur worte, und sie entbehren der wahrhaftigkeit, die
einem schmerz innewohnt. wenden wir uns also gleich den grossen
metaphysischen begrifflichkeiten zu, sprechen wir tod aus, aber
nicht als wort.
dem vom gefühlten leben besessenen verspricht der tod geborgenheit
und stille, und bis dahin kann er nicht mit und nicht ohne seine
antonyme leben.
die
ersten drei songs auf "grab that gun" sind zugleich
die einprägsamsten, danach wird es wässrig. wer durchhält,
findet sich in song nummer 7 wieder und wird vielleicht wie ich
von dem überwältigenden raumgefühl und der einfachheit
des schmerzes dazu bewegt, "there is nothng i can do"
zu seinem lieblingssong zu erklären. über kopfhörer,
auf dem bett liegend gehört ein quälender genuss.
auch das debut von i love you but i’ve chosen darkness überträgt
sich am besten per kopfhörer. auch hier wird das gefühl
einer überindividuellen einheit vermißt, wird schönheit
in basslastigen sounds und mit schneidend scharfen gitarren geschätzt,
aber nicht abgefeiert. nur leiden männer mit wunder stimme
und ohne aufgesetzte keyboards.
der name spricht bände und die texaner setzen ein vertrauen
in den gebrauch des wortes, welches the organ nicht aufbringen können.
das läßt sie weniger mystisch daherkommen, die erdigkleit
der düsternis wird dafür mit einer höher gezogenen
wall of sound und industriellem anstrich beglichen.
die zum teil aus den post-rockern windsor for the derby hervorgegangene
band produzierte im studio von ...trail of dead und euch wird die
wortgewaltige parallele beider austin-bands auffallen (der pfad
der toten führt in die dunkelheit und so weiter). schade, dass
ilybivcd in ihren breiten momenten ("we choose faces"
etwa) zu stark ins u2-ische hinübergleiten, anstatt sich an
ihre post-rock-wurzeln zu halten. nichts desto trotz "doom-pop”
kommt, und ihr alle werdet leiden und es lieben.
(ww)
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