home                                     club        musik        konzerte
plattenkritiken | popnews | interviews | popclassics | clubplaylists | plattenlabels

plattenkritik

radio 4 : stealing of a nation
bereits erschienen (city slang/labels)

wenige wochen nach den anschlägen des 11. september stürzt ein passagierflugzeug über dem new yorker stadtteil queens ab. die medien und leute glauben an einen anschlag. einige monate später dehnt sich die allgegenwärtige angst auf die gesamten usa aus. briefe mit milzbrandbakterien schaffen ein gefühl der verunsicherung, ein gefühl, dass 2003 in panik umschlagen sollte: unschuldige menschen werden von einem unbekannten mit einem präzisionsgewehr erschossen. new york erlebt den nächsten schock im zuge eines stromausfalls. theorien eines terroristischen anschlages sind allgegenwärtig, seit dem 11. september präsent in den köpfen der amerikanischen bürger, besonders der bewohner new yorks. so verwundert es kaum, dass es größtenteils bands aus dieser ,europäisch- amerikanischen’ metropole sind, die politisches zeitgeschehen in ihren liedern verarbeiten: interpol, !!!, dead combo, outhud, le tigre etc.. radio 4 gehören spätestens seit "gotham" in den kreis dieser etablierten musikgruppen und sprengen mit ihrer neuen platte "stealing of a nation" den rahmen der von ihnen selbst vorgegebenen grenzen des politrocks.
ihre musik bleibt tanzbar, durchzogen von bekannten dance-beats, gepaart mit konventionellen punkelementen. polyrhythmische percussion-breaks, funkartige gitarrenriffs, dub-basslines und techno-keyboards. sie reißen einen atmosphärischen stimmungsbogen von düsterem groove bis hin zu elegisch schwülen reggaeklängen. die aufnahme und verarbeitung, das erkennen und zum ausdruck kommen dieser stimmungen ist wesentlich von der annähernd perfekten produktion von max heynes mitbestimmt, der schon den doves wie auch primal scream zu atmosphärischen meisterwerken verhalf.
radio 4 erzählen auf ihrem dritten album, ähnlich wie dead combo, von einem gefühl eines landes, dessen bevölkerung in ständiger angst lebt. doch fragen radio 4 nach ursachen, wo dead combo über die musik gefühle und zustände deutlich machen. der titel "stealing of a nation" wird in dem kernstück der platte "nation" wieder aufgenommen ("i signed my letter of resignation | for the stealing of a nation") und steht im zentrum der zwölf musikstücke. ob der diebstahl der wahl des jahres 2000, die invasion im irak oder die fast diktatorische anmutende medienberichterstattung mit ständiger betonung der unsicherheit und gefahr in dieser phrase zum ausdruck kommen, bleibt unbeantwortet. radio 4 besingen den verlust und die leugnung sämtlicher amerikanischer werte unter der regierung nach clinton. vor der kommenden wahl sprechen radio 4 jene werte an, die die usa auszeichnen, jedoch immer mehr unter der bush-regierung mit füßen getreten werden: freiheit, frieden und selbstverwirklichung. in der zeile "do your life justice" wird letztlich jeglicher vorangegangener resignationsgedanke aus "nation" zerstört. der 11. september wird im rückblick zum ambivalent, zwischen zerstörung und angst sowie mut und hoffnung. die zeit zum handeln ist gekommen!
(jf)