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plattenkritik

radio ados : sean
bereits erschienen (all rocknroll speeds up records)

nachdem ich die fünf lieder einer insgesamten länge von fast 15 minuten gehört habe, verweile ich stumm und starr. ich sitze nur da und blicke in die schweigenden schwarzen lautsprecher, verweile im nirgendwo, glaube nicht das gehört zu haben, was die hamburger jungs von radio ados auf platte gebannt haben. lange war musik nicht mehr so nah! ich rekapituliere eben wahrgenommenes. unprätentiös höre ich die stimme büchners die einleitenden gitarren begleitend, "meine weltvergessenheit ist meilen- meilenweit" – eine vage vorstellung dessen, was da kommen wird. büchners gesang ist kratzig, hat an umfang und grösse gewonnen und ist so zerbrechlich und tragisch, wie die musikalischen gefilde, in denen sich radio ados bewegen. er klagt, "want to know micoud", erkennt, "tage sind tage und tage vergehen" , bedenkt, "zweimal du ist mindestens oder höchstens eins zuviel" und sucht den "universe soul traveller". büchners songwriting besteht nicht aus geschichten, es greift ein lebensgefühl auf - eine bisweilen verlorengegangene komponente in der musikszene. es ist nicht das pseudo- gefühl der indie- hypes von den killers bis hin zu placebo, es ist eine innere eigene bewegung der band, die nicht extrovertiert zur schau getragen wird. "eine eigene geschichte" würde distelmeyer dies vielleicht nennen, und selbst das wäre wohl ein understatement. da passt schon eher wenders engel über berlin, der "sich selbst eine geschichte erstreiten" will. auf dessen wegen scheinen radio ados zu wandeln. sie entfernen sich von dem einheitsbrei des gitarren- retro- gammels, der die attitüde des glamrock traurig verlassen heraufbeschwört: ein trostloser versuch, das wissen auch radio ados, "halt den strom ab von mir" heißt es da. "sean" scheint, wie radio ados im herzstück "zweimal du" besingen, "ein legerer versuch, zu beenden was egal ist" und somit auch eine bestandsaufnahme der momentanen musikszene. aber in diesem begehren nach neuer musikalischer finesse finden die hamburger musiker nicht die neuen, bislang unbekannten großen töne und melodien. sie veräußern ihre musikalischen vorbilder in einem eigenständigen klanglichen mosaik, stark beeinflusst durch die frühen neunziger des britpops.
weiterentwickelt haben sich radio ados in einem rasanten tempo. mit großer selbstaufopferung haben sie vor ca. einem jahr ihr eigenes label gestemmt. "all rock’n roll speeds up" ist dessen name und somit ein geheimes "clash" zitat. ob sie jemals an deren bekanntheit und größe heranreichen werden, ist schwer zu sagen. "sean" mag dafür - in einer modernen musikwelt - zu eigenständig und kompliziert klingen, vor allem ist es jedoch ein polarisierendes statement – nicht zuletzt, weil es aussagekräftig ist und einen neuen standpunkt definiert. am ende des werks steht die popballade "the power of guitars", in der sich die ambivalente der ersten zeile wiederfinden. zwischen einem "leben als mod" und "sterben als gott" suchen radio ados ihren weg. da ist man nicht einmal mehr verwundert, wenn sänger büchner mit weit aufgeknöpftem hemd auf den kleinen bühnen weltmännischen flair ausstrahlt: der erste longplayer soll ein album der pophymnen werden.
(jf)