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plattenkritik

timothy victor : nocturnes
bereits erschienen (snowstorm/cargo)

"looking into the mirror i saw myself as i had never seen me before. my mother had never led me see a mirror when i was a child, she claimed it was a tool of the devil. i looked into this devil’s tool and saw that i was in fact not a man or a woman, but a mannequin made out of fine chinese porcelain.”
so endet die kurzgeschichte "bark for me boris” eines gewissen timothy victors, zu finden im internet. ob es sich dabei um den timothy victor aus london handelt, der gerade sein erstes album herausgebracht hat, ist nicht gewiss, aber wahrscheinlich, denn so düster und bedeutungsschwanger wie die geschichte, gibt sich auch die musik auf "nocturnes”. die referenz lautet in jeder hinsicht "nick drake”. minimalen alternative folk nennt man das in england und irgendwie kam so etwas lange nicht mehr von der insel, die garagen-bands in alle winde zu spucken gewohnt ist. die geste ist also angelehnt an nick drake, der tonfall dann doch ein anderer. timothy victor flüstert lieder von liebe und leid, verlust und verrat, als säße er auf der kante eines leeren bettes, die gitarre auf dem knie, und versuche, sich selbst in den schlaf zu singen. meist entspannen sich so sanfte volksweisen, die im fall von "empty palace” etwa zu echtem pop kristallisieren. meist unterstützt ein bass denzent den rhythmus, gelegentlich geht eine geige mit der gitarre ein stück es weges. harmonika, akkordeon und banjo lassen timothy victor zwischen nick drake und kristopher aström rutschen und das piano probt mit wenigen anschlägen seinen einsatz, bis es bei "will’s the way to go" sich nach vorne getraut und die führung übernimmt. in "what dark place" geleitet eine zarte frauenstimme timothy victor gar in subtile verspieltheit, die an belle and sebastian erinnert. manchmal wird "nocturnes" zu schwerfällig und dann möchte sich spätestens bei song nummer 9 ein gefühl von genervtheit einstellen, aber wer aufgibt, verpaßt "go sweetly" wo unter dem dauerbrummen des harmoniums und flimmerndem gesang von weingläsern der eindruck entsteht, das schlichte musik viel zeit zum reifen bedarf. tatsächlich hat timothy victor zwei jahre an seinen stücken gearbeitet. sie erscheinen auf snowstorm, dem label von candidate und den fantastischen animals that swim, wo auch die broken family band zu hause ist, bei der timothy wiederum als produzent und live mitglied tätig ist. broken family band-sänger steven adams übernimmt auch den gesangspart in "will’s the way to go” und wohlmöglich wäre das auch die erste single, wenn timothy victors musik auf singles passen würde. wer dreht schon gerne singles um, wenn er doch einfach nur daliegen möchte, ganz schwer und immer schwerer.
(ww)