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plattenkritik

virginia jetzt! : anfänger
bereits erschienen (motor / universal)

da liegt sie also vor mir, das zweite studioalbum der vier liebenswerten knaben und musikfans aus elsterwerda, die ostdeutschlands girlies seit nun fast vier jahren bezirzen.
eine popplatte die perfekt (fast über)produziert ist und die vielleicht ein schöner soundtrack für den mittelkassigen berufsanfänger ist, der auf der suche nach der perfekten beziehung ist, an sich selbst zweifelt und dennoch voller hoffnung ist. hm, alles schon mal irgendwie gehört, aber das muß ja nicht unbedingt schlecht sein.
vom songwriting kann man den vier knaben nur großes lob zollen, das hat mit dem doofen titel 'anfänger' nun wirklich nichts zu tun.
textlich aber leider schon...
es dreht sich fast immer um liebe, aber die art der liebe wird nicht
weiter beleuchtet. alles bleibt leider nur an der oberfläche.
"wer bin ich hier, was mach ich hier?" stellen die jungs immer wieder die frage, beschwören eine "togetherness" der schulabgänger und studienanfänger, die ihrer meinung nach "auf der richtigen seite" zu stehen scheinen, aber blicken leider nicht ein einziges mal über den tellerrand einer zerrissenen welt, sondern pudern alles popig süß unter den teppich einer zeit, in der doch eigentlich alles bergab zu gehen scheint.
schade, da hätte ich mir von verheißungsvollen titeln wie 'du musst dahin, wo es weh tut' oder 'in der finsternis' mehr versprochen.
natürlich rechtfertigen sich die jungs dauernd keine politische band zu sein, aber warum enden die denkprozeße in den liedern immer an der eigenen haustür und nur in den köpfen der kumpels und kumpelinen?
wollen virginia jetzt! dahin wo die sportfreunde stiller sind, nämlich eine reine harmlose, stadionrockende entertainment-combo?
bei zeilen wie "in zeiten völliger erschöpfung will ich die hoffnung nicht verlieren, ich will liebeslieder...". das ist alles? was soll so eine aufgesetzte schöngeisterei im stile von reinhard mey? warum gibt es keinen mut zur ironie? "das ist mein land, meine menschen, das ist die welt die ich versteh, doch die sprache ist besetzt, vom allerersten wort bis jetzt, ich will liebeslieder." um himmels willen!!!!!!
da kann ich den distelmeyer jochen und andere nasen wirklich verstehen, wenn diese entsetzt auf solche erschreckend dümmlichen phrasen reagieren. das geht leider gar nicht klar!
ich will vj ! nicht mit den unseeligen teutonenpopern mia gleichsetzen
aber ein bißchen mehr reflektion hätte man doch erwarten können.
die liebe ist eine phantasie, die hilft, oder was?
virginia jetzt! setzen ihr eigentlich sympathisches understatement
falsch um und treffen zumindest so nicht diejenigen, die sie früher
doch verehrten. naja, top 40 in den charts lehrt mich auf diese
weise in diesen tagen etwas anderes oder was?
wer die jungs kennt, weiß das sie durchaus politisches bewußtsein
haben und ihr herzel eigentlich am richtigen örtchen schlägt, aber in
einer zeit, wo ich die welt überhaupt nicht mehr verstehe und ich über
einen großteil der bevölkerung oftmals den kopf schüttele, sind solche
texte wirklich deplaziert und haben mit indiepop (so nannte man das doch mal, oder?) rein gar nix zu tun.
musikalisch konnten die vj-jungs mich das eine oder andere mal früher echt einfangen und berühren, aber textlich und geistig scheinen thomas dörschel und ich nun leider in zwei verschiedenen welten zu leben. schön, wenn man die welt noch so naiv betrachten kann.

p.s.: hey thomas, bitte gebe mir eine aufklärung beim nächsten konzert.
(benny)