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jacques palminger and the kings of dubrock - fettuccini

(staatsakt/rough trade)

jacques palminger and the kings of dubrock - fettucinidruckvoller dub à la the upsetters als geupdatetes medium für genialische eingebungen, spontan zu unmöglichen geschichten gesponnen, immer höhere, ziseliertere säulen, oder hängend wie in einer tropfsteinhöhle. schwindel-abseitig! selbstverständlich! mafiös!
düstere opiumfantasien, aberwitz - herrlich debil oder einfach albern - was für ein lyriker jacques palminger ist! dabei "in wirklichkeit" einer der wenigen, der die klaviatur sprachlicher stilmittel auch im traditionellen sinn beherrscht und damit unaufdringlich wuchern kann, bzw. "in ganz alter erde graben". wir freuen uns über facettenreichen, intelligenten pop, wie er in deutschland eigentlich keine akzeptanz findet: eine hehre verbindung von pioniergeist, europäischer stilisierung, geschmackvoller angeberei, forschung, chansonesken melodien, coolness, ambition, modernität und ausgewählter tradition, wie sie z.b. die super furry animals vor zehn bis fünfzehn jahren angestrebt und beinah ganz und gar gemeistert hatten. hier treffen gesundes und ungesundes körpergefühl aufeinander und bringen sich gegenseitig tanzen bei. dabei lässt der musikalische meister-cuoco vic marese auch schonmal harry belafonte anklingen im komödiantisch entrückten "uhren befummeln die zeit" oder den groove des wunderbaren liedes "porque te vas" aus dem film "züchte raben". hintersinnig und listig baut er die stücke auf.
mit dem fragwürdigen, aber großartigen charme eines degenerierten kolonialherren regiert jacques palminger dieses programm. palminger in einer uniform von einem, wo sie herkommt: egal. entscheidend: was macht der mann darin. das hat wenig bis nichts heroisches. an seiner seite die vortreffliche chanteuse rica blunck, die den stücken immer wieder mit ihrem wunderschönen refraingesang ein gesicht gibt und das wagnis eingeht, sie zu hymnen des untergrunds, des weisen, drogengeschwängerten widerstands, des trotzigen summer of love zu machen.
eine platte von ric, vic und jac für den sommer - stimulierend tief und dann wieder high: fiebrig, pulsierend. eine reise, irgendwie auch, in das herz der finsternis. "ein traum aus tausend und einer verletzung".
es gibt immer wieder diese momente, wo alles auf eine rätselhafte weise genauso ist, wie es sein muss. nehmen wir das letzte stück "unter den rolltreppen von paris". schon der titel… es muss einen natürlichen bedarf im dissonanten kanon der schöpfung nach diesem titel gegeben haben. nun denkt man, jacques palminger könne nicht singen, aber sein einsatz beim unbegreiflichen finale, das darin gipfelt, dass der marabou coco mit einem gigantischen, "aie" von black blood zitierenden, sing-along bedacht wird, scheint zu sein, auf was ausnahmslos ALLE gewartet haben.
während die anderen studio braun-köpfe ihre äußerst komischen bücher veröffentlichen, warum bringt jacques nicht einen lyrikband auf insel raus? aber bitte: weiter musik machen!

(joachim franz büchner)

jacques palminger @ myspace