(record makers/alive)
sébastien
tellier holt seine "fans" ab. ich fühle mich getragen vom
ersten stück: "adieu" ist wie eine vorbereitung auf die stimmung
die nun die nächsten 34 Minuten bestimmen wird. um wirklich mitgenommen
zu werden, solltest du die lautstärke an deine persönliche schmerzgrenze
bringen.
er versteht es, wie immer, spannung aufzubauen (man denke nur an "la
ritournelle" - übrigens seit seinem erscheinen mein wecklied. nein,
ich war noch keinen moment davon genervt).
das erste mal hört man sébastien telliers stimme erst in lied 3: "l'amour
naissant" (unnützes wissen: es gibt ein lied mit gleichem namen
von mylène farmer). ein typisch jazziges schlagzeug trifft auf flächige
streicher und damit harmonierenden gesang, dann exotische e-gitarrenklänge.
ja, es harmoniert! den rhythmus ist man von ihm schon gewohnt, das klavier
und die streicher auch. und sébastien tellier wäre nicht sébastien tellier
wenn die elektronischen elemente fehlten. nein, es langweilt nicht!
"adieu mes amours" ist erhaben, melancholisch, fast sakral,
wie die szene eines films aus den 60er jahren, der aber viel früher
spielt. die hauptdarstellerin trägt trotzdem starkes make up. das alles
in einem nadelwald, der nur durch den knöcheltiefen schnee aufgehellt
wird. und: die frau ist allein.
"hypnose": ich bin sicher, dass nun besuch aus einer anderen
welt auf einer lichtung im wald landet und der schnee plötzlich farbig
leuchtet: telliers musik ist cineastisch. ich würde gern an einem seiner
videos mitarbeiten. sehr gern. dieses lied berührt mich sehr. eines
der stücke, die die härchen auf den armen auf- und abgehen lassen, wie
ein kornfeld im norddeutschen wind.
"waltz": bei der ersten version dieses liedes hat er sich
köstlich amüsiert, vermute ich. auch dieses witzig erscheinende arrangement
trägt schwermut in sich. die dissonanz stört bald nicht mehr, auch wenn
es sich in den 2:21 minuten erstaunlich wenig weiterentwickelt.
"adieu comme un jeu". ein ballettsaal! eiseskälte! die fenster
sind zerbrochen. hier tanzt lange niemand mehr. in der ecke steht ein
klavier... leider ist dieses stück viel zu kurz...
"delta romantica": das schlagzeug, wie ein trabender rhythmus,
vor und zurück, wie eine hektische dressurstunde. dann die cineastische
wucht, und ende.
wie kleine geschichten, die sich sehr stark unterscheiden und doch ein
großes ganzes erzählen. die lieder sind mir zu kurz. ich will mehr,
sie lassen mich hungrig zurück.
"l'amour naissant II": liebe! ein thema, das sich wiederholt
und mich mitnimmt. traumhafte 60er-typische orgelklänge, die so eine
eigenartige traurigkeit und auch coolness transportieren. dann ein klang
wie aus dem orchestergraben. als säße man am rand.
"coco et la labyrinthe": der wilde westen in einer stillen
szene – wir reiten lautlos vor roten felsen durch die wüste. der staub
verhüllt alles und bricht das licht. vielleicht ein paar detailaufnahmen
des pferds. die muskeln in bewegung, die erschütterung der haut und
des fleisches, die wehende mähne und die weiten, atmenden nüstern.
"l'amour naissant III": da ist unser thema wieder, das allem
einen rahmen gibt und über die kürze der lieder hinwegtäuscht. ich beginne,
ein system hinter alldem zu erkennen. ich glaube, es macht sinn. er
hat mich wieder. ich schweife ab. keine ahnung, welche instrumente er
wie benutzt. er transportiert ein gefühl, und es ist ein schönes.
"curiosa II" – der ballettraum ist doch nicht ganz unbelebt?
ich sehe füße auf dem modrigen holzboden. eine tänzerin in schwarzen
lumpen. hoffentlich übertreibe ich nicht.
oh, die gitarre! hatten wir das lied nicht schon? es ist schön, ein
thema wiederzuerkennen: "le delta des amours" – dieses letzte
stück wird deine romantische ader hervorholen. wenn du das zulassen
willst.
naja, kauf dir einfach "confection" von sébastien tellier!
(cb)
sebastien
tellier @ facebook
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