bob dylan - the basement tapes complete
|
(columbia/sony) nach seiner genesung zog sich dylan aus dem öffentlichen musikleben zurück und fand neben einem bestärkten glauben die musiker robbie robertson, rick danko, richard manuel, garth hudson und, später, levon helm. es waren jene musiker, mit denen sich dylan 1967 in ein kleines haus, "big pink", zurückzog und die basement tapes als bob dylan & the band aufnahm. die musiker spielten über 100 lieder ein, darunter traditionals, coverversionen und neue dylan & the band songs wie "i shall be released", "the mighty quinn", "this wheel's on fire" und "you ain't going nowhere". 1969 tauchten erste songs dieser intimen sessions unter den ladentheken in musikgeschäften auf, 1975 veröffentlichte columbia records 16 ausgewählte songs auf einem doppelalbum: "the basement tapes". im oktober diesen jahres erschienen zwei zusammenstellungen der damaligen aufnahmen: "the basement tapes complete" auf sechs cds sowie "the basement tapes raw" auf 2 cds mit 38 liedern. bei ersterer sammlung handelt sich um die erste vollständige zusammenstellung sämtlicher verwertbarer aufnahmen des vorhandenen bandmaterials, das dylan & the band in big pink bespielt haben. auf den basement tapes hören wir einen dylan, der im bestärkten glauben biblische zitate und metaphern in seine lieder einbindet. bekannte songs erschienen in einem neuen licht, in neuer interpretation, musikalisch und lyrisch. dabei schien dylan, und dies mag sein größtes alleinstellungsmerkmal sein, den nerv der zeit zu treffen. er antwortete nicht auf fragen, aber schrieb lieder, die sich wie antworten anfühlten (vgl. frere-jones, 97). eine gabe, die ihn stets auszeichnete. er bot in seinen songs alternativen zum damals und jetzt, zur realität – lyrisch wie musikalisch. die aufnahmen der basement tapes gelten noch heute als beginn des alternativen folk: "as the volume turned down, so was the aggression. much of the agitated, wondrously breathless excitement of '65-'66 was replaced with songs derived from old sea shanties, melodic reflections about life's absurdities, hard rockin' and often hilarious ficticious character sketches, musical tributes to past heroes which bordered on pastiche, musical pastiches so authentic they bordered on being tributes, devout spirituals, c&w laments, a new take on blues balladry, and yes, love in all its guises." (basement tapes, 2014). ein so übermächtiges werk, das wir nicht einmal mythos nennen können, weil es real vor uns liegt, ist kaum zu beschreiben. jede hörerin, jeder hörer muss sich sein eigenes dylan werk aus den unzähligen songs bauen. dylan & the band haben 1967 ganz unbewußt ein zweifellos zeitloses werk geschaffen, das nicht besser den nerv der zeit hätte treffen können. wenn ronnie robertson dieses erinnert, wollen wir teilhaben an dem musikalischen experiment, jener aufnahmen, die zum heiligen gral aller dylan fans geworden sind: "the way we played the basement had nothing to do with the way we played with bob [and] it had nothing to do with the way we'd played as the hawks or with ronnie hawkins. it was a whole new persona … subtleties came into the music: it had this kind of timeless spirit." (ronnie robertson). jf |
sasha
frere-jones betitelt seine jüngste bob dylan review im new yorker "the
great fall" (nov 3, 2014). der titel spielt auf dylans motorradunfall
vom 29. juli 1966 an. ein einschneidendes erlebnis in dylans leben und
seiner musik. ... dylan begann seine kariere als junger woody guthrie
imitator und fand 1965 auf dem newport folk festival und der darauf
folgenden us-tour einen neuen sound. mit einer rock band und elektrischen
gitarren kehrte dylan seinen ruhigen folkballaden und akustisch geprägten
liedern den rücken zu und bekam, wie greil marcus schrieb, "increasingly
embattled and defiant". die fans fühlten sich betrogen, und dylan
verunglückte im bundesstaat new york schwer.