(deutsche grammophon)
deutsche
grammophon? deutsche grammophon! ja, hier wird klassik besprochen. nein,
nicht chopins klavierkonzerte oder beethovens neunte, sondern klassische
musik, die im plattenregal neben steve reich, philip glass und benjamin
briten steht, oder im zweifel unter "n" wie the national oder
"r" wie radiohead. dass hinter diesen bands exzellente musiker
stecken, hatte natürlich niemand bisher ernsthaft bezweifelt - jetzt
haben deren gitarristen bryce dessner (the national) und jonny greenwood
(radiohead) ein klassisches album mit eigenkompositionen veröffentlicht,
gespielt vom kopenhagener symphonieorchester, dirigiert von andré de
ridder. das ergebnis ist irritierend und zugleich fesselnd.
zugegeben: man muss ein faible für klassische musik haben oder darf
dieser zumindest nicht abgeneigt sein, will man die 65 minuten der platte
nacheinander hören. doch als habe bryce dessner die anfängliche scheu
geahnt, plätschern die ersten streicher- und bläserklänge im opener-track
"st. carolyn by the sea" nur sehr langsam daher. begleitet
werden sie von einer glockenartig klingenden e-gitarre, die sich harmonisch
in das orchestrale ganze einfügt – beinahe so, als wäre sie schon immer
alltäglicher bestandteil des symphonie-ensembles. auch wenn sich die
dynamik verändert, instrumente einesetzen oder pausieren: immer wieder
ist er da – der klare sound der gitarre, der dessners stücke besonders
macht. die älteste komposition des the-national-gitarristen ist "raphael",
entstanden 2008. in angenehmer dissonanz erklingt darin ein verstimmtes
harmonium, das wie ein warmer teppich unter den minimalistischen sounds
der von dessner selbst gespielten e-gitarre, der streicher und bläser
des orchesters liegt. in der zweiten hälfte des stückes gewinnt die
gitarre eine bis dato unbekannte melodische präsenz. streicher setzen
ein und kurz höre ich vor meinem geistigen ohr, wie erlend øye eine
eingängige melodie anstimmt. der moment ist schnell vorüber, die grenze
zwischen pop und klassik aber ein für alle mal aufgeweicht.
john greenwoods sechs miniaturen aus der suite zum filmsoundtrack "there
will be blood" sind nicht nur deutlich kürzer als dessners stücke,
sondern auch vielfältiger. es gibt schwere und dramatische momente ("open
spaces"), aufgeregt-hektische ("future markets") oder
träumerische ("oil"). neu sind die kompositionen nicht – der
offizielle filmsoundtrack erschien bereits vor sieben jahren – doch
andré de ridder regte die kollaboration an, weil dessner und greenwood
auf ähnliche weise genre-grenzen überschreiten, sound-experimente nicht
scheuen. außerdem sind beide künstler weniger weit von klassik entfernt,
als man vielleicht annimmt: greenwood war klassicher bratschist bevor
er zu radiohead kam, dessner studierte klassische musik. beide komponierten
bereits zuvor klassik. auf "st. carolyn by the sea / suite from
'there will be blood'" kommt zusammen, was zusammengehört.
(ah)
bryce
dessner @ world wide web
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