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chicks on speed - artstravaganza

(chicks on speed/indigo)

chicks on speed - artstravaganza"artstravaganza" ist das siebte studioalbum (neben diversen eps und singles) der münchener band chicks on speed. chicks on speed sind alex murray-leslie und melissa logan. seit 1997 musizieren sie an den grenzen zwischen kunst und musik, zwischen performance, design, visueller kunst und musikalischer interaktion. murray-leslie und logan sind hip, wie es zeitgenössische künstler (zumindest die modernen bewegungen um galerie- und ausstellungseröffnungen) vorleben. wie auf jeder "vernünftigen" vernissage dröhnen elektrobeats aus den boxen – das ist cool, das ist modern und oft sinnbefreit (selbst das iphone hat jetzt ein herunterladbares mischpult). doch chicks on speed füllen die sonst so leeren elektrokompositionen mit sinn, führen sie an ihre musikalischen grenzen zu brachialen crescendos ("god") oder zu als persiflage getarnte chartpopsongs ("text, vodka & le rock’n roll"). elektroclash wird das, was chicks on speed machen, gemeinhin im interweb genannt.

"artstravaganza" will die passive hörerschaft aktiv in das geschehen miteinbinden. weniger in das schaffen des kunstwerkes (wie soll dies auch außerhalb von konzerten funktionieren), als vielmehr in den diskurs über das kunstwerk und dessen inhalt. zahlreiche aktivisten wie julian assagne, yoko ono, francesca von habsburg, peter weibel, angie seah und anat ben david wirken an den kompositionen von "artstravaganza" direkt und indirekt mit. im überragenden song "god" sampeln murray-leslie und logan assagne interviews, die angela richter zur ausarbeitung ihres theaterstücks "assasinate assagne" aufnahm, und binden diese in ein dröhnendes crescendo ein: "using the interview recordings and corresponding literary quotes, alex and melissa composed a multi-layered sonic textual collage, almost gospel like, crashing in a crescendo of rave; questioning religiosity, corporations and politicians playing god with information and data in global contemporary mediated environments." musik ist bei murray-leslie und logan immer auch aktivismus.

chicks on speed thematisieren aktuell politisch relevante themen und sprechen deutlicher stärken, schwächen und gefahren des modernen (und digitalen) zeitalters an, als dies bisher irgendeine band getan hat. die manic street preachers, als wohl letzte relevante politisierende band grossbritanniens, haben unlängst mit ihrem starken "futurology" diese möglichkeit zum teil verpasst und (mit ausnahmen) insbesondere persönliches und privates verhalten und kommunikation in der modernen welt thematisiert. während ich musikalisch zu den manics halte, begeistern mich die chicks on speed, indem sie autoritätsmißbrauch in der modernen welt aufdecken und vor gefahren der digitalisierung und einem stetig unkritischer werdenden verhalten der gesellschaft warnen und damit wichtige diskurse anstoßen, die während konzerten bzw. performanceartigen aufführungen des albums aktiv mit dem publikum weitergestaltet werden sollen: "in our song utopia, we recommend to observe the clash of diverse utopian ideas and the contradictions of personal gain, survival, comfort, where does luxury begin, decadence take over, or an incapability or laziness to dream of something different then luxury." mitmachen!

jf

chicks on speed @ world wide web