(peacific/broken silence)
programmatisch
wird jetzt das neue beschworen bei den zikaden. nicht nur die titelgebende
landschaft ist neu, sondern auch der name der band. zum glück wurden
aber an der klangfarbe der indie-puristen nur behutsame änderungen vorgenommen,
so dass man bei den ersten takten und worten wieder daran erinnert wird,
wie toll man 2008 das debüt "blinde hühner" von cicada piece
fand. jetzt also deutscher name, aber natürlich nicht weil man das heute
so macht (file under trümmer, zucker, die heiterkeit, die nerven… bitte
beliebig fortsetzen) und eigentlich nur die frage darum kreist, ob substantiv
mit oder ohne artikel, sondern weil hier die große ingeborg bachmann
mit dem bandnamen gleich mitbeschworen wird. hochkultur galore, fast
wie zu seeligen l'age d'or-tagen. die zehn neuen songs der zikaden sind
gefälliger indiepop mit sprachsensiblen deutschen texten. unaufgeregt
in der instrumentierung liefern sie den perfekten soundtrack für flirrende
sommertage. zu dieser musik möchte man am liebsten nächtelang mit ein
paar litern rotwein und seinen besten freunden in parks oder an ostdeutschen
baggerseen liegen und dabei über jüngst gelesenes und den neuesten hollywoodtrash
reden. diese assoziationen kommen nicht von ungefähr, denn die texte
von mastermind claus telge mäandern unaufhörlich zwischen hoch- und
popkultur. man kann der anspielungsreichen lyrik nachspüren und hätte
damit genug material für ein germanistisches oberseminar, man kann es
aber auch einfach lassen und sich an einzelnen zeilen erfreuen, die
das kopfkino in gang setzen und die man sich in blockbuchstaben auf
grauen häuserwänden geschrieben wünscht. zeilen wie: "ach komm,
das ist doch so 19. jahrhundert", "alpha zucker alpha"
oder auch "wir sind das weiße in den kristallen" zaubern einem
allein wegen des ausufernden bedeutungsspektrums ein lächeln aufs gesicht.
kurz gefasst: eine angenehm unaufgeregte indiepop-platte, die etwas
zu sagen hat und zudem auch noch fantastisch aussieht. die explorative
erkundung der neuen landschaft wird nämlich auf dem cover der platte
durch eine palimpsestartige überblendung eines fragmentierten carracci-gemäldes
mit ebenso zerhackten luftbildaufnahmen fortgesetzt. bildkünstlerisch
finden hier, genau wie in den texten, tradition und gegenwart zueinander
und ergänzen sich auf das allerschönste. etwas, das man zum glück nicht
nur auf der begrenzten fläche eines cd-covers erahnen muss, denn die
"die neue landschaft" lässt sich auch auf sehr gut abgemischtem
vinyl erkunden. absolute kaufempfehlung.
(mw)
die
zikaden @ facebook
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