(fidel bastro/broken silence)
"neopit
pilski" gibt es inzwischen seit 2003 und wer seitdem auch nur in
die nähe von lüneburg gekommen ist, dürfte die band bereits live erlebt
haben. unmöglich eigentlich, rund um niedersachsen an dieser band vorbeigekommen
zu sein. dass sich das trio in den letzten 13 jahren so emsig durch
parties, konzerte und festivals gespielt hat, trägt spätestens mit dem
aktuellen album "wir/ihr" die fettesten früchte. auf dem debutalbum
von 2011 noch zu dritt, musste gitarrist und sänger stefan ivanov nach
dem ausstieg des gründungsmitglieds steffen bünting 2014 erst einmal
zusehen, wie ohne bass ähnlicher druck zu zweit erzeugt werden kann.
nach monatelangem tüfteln entwickelte ivanov eine spielart der gitarre,
die über die tiefen saiten fette basssounds und über die hohen saiten
deftige gitarrensounds zulässt. über verschiedene pickups werden die
signale dann in zwei verschiedene verstärker gejagt. das ergebnis ist
so rockig wie verblüffend. beim hören des neuen albums entdeckt man
immer wieder basslinien, die eigentlich gar nicht da sein dürften. ivanov
beherrscht es wie kein zweiter, beide frequenzen auf augenhöhe zu bedienen,
ohne dass dabei eines der instrumente zu kurz kommt. das straighte und
detailfreudige spiel des drummers simon schmidt bedient dabei immer
den song, ist nie aufdringlich und findet die richtige balance aus nicht
zu viel und nicht zu wenig. hier schaukeln sich zwei rockmusiker in
unmittelbarer kommunikation miteinander hoch, bis das ganze kurz vorm
überschäumen ist. doch es wird nichts verkleckert. alles wird auf ex
getrunken. keinen tropfen verschwenden, alles ausschlürfen und dann
dort hinpissen, wo es am besten aufgehoben ist – direkt im nacken der
obrigkeit. die songs strotzen nur so vor rotzigkeit und spielfreude.
zorn und angriffslustigkeit sind immer präsent. nicht selten wird die
korrupte politische situation in bulgarien angeprangert. tiefen emotionen
über die liebe, trauer und depression wird in bulgarischer sprache luft
gemacht. dass "neopit pilski" mit ihrem grungigen sound und
der frechen backpfeiffenattitüde vor allem der heimischen sprache fähige
fans in deutschland und in bulgarien um sich scharen, ist kein wunder.
stellvertretend für eine generation junger, gut ausgebildeter exilbulgaren,
die zum studieren nach deutschland kamen und jetzt ein schlechtes gewissen
haben, weil sie hier bleiben und nichts für eltern und heimat tun, durchleben
"neopit pilski" live ein wechselbad der gefühle, zu dem wir
deutsche fans erst so richtig zugang finden, wenn wir uns nach dem konzert
die zeit nehmen, mit den zwei sowohl musikalisch als auch philosophisch
topfitten jungen männern über die welt, das system und die gesellschaft
zu schwadronieren. dann wird einem nebenbei auch klar, warum dieser
schmutzige grungesound, warum diese schnörkellose zurückbesinnung auf
den kern von rockmusik: weil grunge der musik seine ehrlichkeit zurück
gegeben hat und weil der wahre kern der rockmusik für die faust in die
fresse der herrschenden struktur steht. genau, hier ist kein platz für
pomp, synthesizer, mitwippmelodien, schicki micki oder was einem an
image und sound seit jahren auf dem indiesektor so alles als modern
und wichtig verkauft wird. hier ist nur platz für ernste themen, kratzige
akkorde und grooves für den liveclub. "neopit pilski" lösen
ein versprechen ein, das uns schon lange nicht mehr gegeben wurde. dafür
stehen nicht nur 13 jahre liveshows in kellern und bars, sondern nun
auch ein grandioses, zweites album.
(mike witschi)
neopit
pilski @ facebook
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