(domino/goodtogo)
protomartyr
sind nach zwei jahren wieder zurück mit einem neuen album. die band
aus der einst so glänzenden amerikanischen industriemetropole detroit
singt und bebildert ebendieses gefühl, welches sich nach einem leben
in einer stadt richtet, deren wirtschaftilich apokalytischer niedergang
nicht allzu lang her ist. anscheinend exisiteren mittlerweile ecken
in detroit, die anhand des kreativen inputs und miteinhergehenden auswucherungen
an die wiederentdeckung berlins durch die kreative szene um die 2000er
herum erinnert. ob die gentrifizierung auch hier bald zuschlagen wird,
ist ungewiss. protomarty fangen diesen aufstieg und fall einer ziemlich
grauen amerikanischen stadt zusammen mit den aktuellen veränderungen
in eine neue richtung sehr schön melancholisch auf. die texte von sänger
joe casey erinnern stark an zeitgenössische amerikanische lyrik. und
ja, es gibt vieles, über das gesungen und geschrieben wird im aktuellen
amerika. die band hat sich bei "relatives in descent" dem
thema wahrheit und realität der heutigen zeit angenommen. entstanden
sind lieder, die düster melanchonisch das aktuelle dasein und die existenz
des menschen beschreibt. man könnte meinen, es gäbe keinen lichtblick
- der sound wechselt von ruhig sich aufbauenden klangcollagen explosionsartig
in kantige noise ausbrüche, um uns dann aber durch feinfühlig harmonische
melodien wieder zu beruhigen.
was ist wahrheit, was realität - und wenn man sich gedankenversunken
bei der singleauskopplung "a private understanding" bilder
ausmalt, wohin all das führen könnte und die sicheren fassaden anfangen
zu bröckeln und zu bersten, holt uns casey wieder zurück ins sichere,
das uns dennoch irgendwie zwiespältig keine ruhe lässt. die rau-grauen
fassaden detroits kann man musikalisch gut nachspüren, kommt das rohe
verzerrte doch glasklar rüber. protomartyr verkörpern dadurch die typische
post punk attitüde. es ist die beschreibung des sozialen ist-zustands
indem man sich fortbewegt. so begibt man sich auf "relatives in
descent" von lied zu lied durch die stadt des befindens - aufgeteilt
in strassen, in denen es mal mehr mal weniger schön ist - aber überall
und immer dabei die melancholie und die wut, die casey live auf der
bühne so gut rüberzubringen vermag. findet man den notorischen anzugträger
im ersten augenblick irgendwie leicht arrogant - nimmt man ihm nach
und nach doch immer mehr die wut und verzweiflung ab und sympathisiert
mit seiner zum teil sehr pöbeligen charismatischen art. bestes beispiel:
"my children". dort begleitet uns treibender postpunkiger
rhythmus durch seine dynamischen erzählungen.
protomartyr haben mit diesem album den ist-zustand des amerikanischen
mikrokomos audiovisuell sehr gut eingefangen - aber das konnten sie
schon immer gut. und so wird der wahrheit und realität fleissig weiter
entgegengeschrammelt, oder wie casey im lied "windsor hum"
beteuert - "everything's fine".
(tb)
protomartyr
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