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interview - architecture in helsinki

was soll eigentlich euer name bedeuten? natürlich wollten wir diese frage stellen, als wir architecture in helsinki bei ihrem gastspiel in hamburg treffen durfte. nicht gerade originell, aber sein wir mal ehrlich: wir wollen doch alle wissen, was die acht experimentierfreudigen australischen spaß-musiker mit finnischer architektur zu tun haben?
wie so oft sollte es anders kommen als man denkt. bereits am fuße des bunkers und neuen "in"-club (?) in der feldstraße wurden wir von der vorwiegend als posaunistin tätigen tara shackell begrüßt und fuhren gemeinsam im fahrstuhl bis über die dächer hamburgs, wo wir letztlich in einen sehr gemütlichen backstage-raum eines im ausbau befindlichen und nicht nur deshalb ungemütlichen club endeten. zusammen mit isobel knowles, die wie fast alle mitglieder in der band diverse instrumente spielt, beantwortete uns tara einige fragen über das touren am anderen ende der welt, den fetisch für instrumente und das kreative potential des vielfältigen.

ihr werdet in deutschland häufig mit bands wie arcade fire oder broken social scene verglichen, vor allem aufgrund der tatsache, dass ihr zu acht seid. passiert das auch in australien?

es passiert ständig, und dabei haben wir wirklich nur die hohe anzahl der bandmitglieder mit diesen bands gemeinsam. musikalisch klingen wir doch sehr unterschiedlich. allerdings könnte es schlimmer sein, immerhin mögen wir diese bands.

es muss sehr kompliziert sein, eine tour mit so vielen leuten zu organisieren. wie stehts mit eurem privatleben in australien?

innerhalb des letzten jahres waren wir fast durchgängig auf tour. privatleben existiert da nicht mehr viel. zudem haben wir jetzt sowieso alle unsere jobs verloren. wir sind aber langsam in übung, was das touren angeht.

was auch wichtig ist bei dem engen tourplan, den die band aus melbourne zu bestreiten hat. innerhalb der letzten zwei wochen nicht einen tag pause. immerhin bleib zeit, einen morgendlichen spaziergang durch das ungewöhnlich sonnige hamburg, konkret das schanzenviertel, zu unternehmen. menschen, die mitten in der stadt in bikini im park liegen. das passiert in melbourne nicht.

wie läuft das songwriting bei euch ab? eure songs sind so vielfältig, häufig baut ihr mehrere tempo- und stilwechsel innerhalb eines songs ein. bei "the cemetery" brecht ihr den song dann sogar unvermittelt scheinbar mittendrin ab.

cameron bird schreibt die songs. häufig entwickeln sie sich aber dann erst beim proben und jeder fügt ihnen seine note bei. das ende von "the cemetery" war eher eine spontane entscheidung. unser schlagzeuger wurde während des spielens müde und hörte einfach auf. es wurde zu einer art witz.

euer sound klingt sehr frisch und grenzt sich sehr vom derzeitigen einheitsbrei der popszene ab. eure musik ist experimentell, aber zugleich haltet ihr euch an traditionelle popstandards mit strophe und refrain und die songs sind kaum länger als drei minuten. normalerweise gerät solch experimentelle musik zu unhörbaren zehnminütern. was ist euer geheimnis?

nun, wir sind wohl einfach acht völlig verschiedene typen mit unterschiedlichen musikalischen vorlieben. wir stehen zurzeit alle sehr auf tropicala und afrobeats und hören viel reggae. aber jeder von uns hat auch seinen eigenen stil. gus z.b. steht auf diesen 60er/70er-psychedelic-kram und sam hört am liebsten wu tang clan. mir gefallen gerade deutsche bands sehr, z.b. faust, mit denen wir kürzlich auf einem festival gespielt haben. übrigens planen wir im moment, "ohm sweet ohm" von kraftwerk zu covern. wir sind sehr offen für die unterschiedlichste art von musik und beeinflussen uns gegenseitig. dabei hat zugleich jeder von uns sehr genaue vorstellungen davon, wie unsere songs zu klingen haben. deshalb schlagen wir so viele verschiedene und auch neue wege ein.
was die länge der stück angeht: je kürzer desto besser. wir machen dann eben kurze und unhörbare songs.

euer erstes album "finger crossed" klang streckenweise sehr nach den frühen belle & sebastian, mit eurem aktuellen album ist das anders, deutlich vielseitiger und fröhlicher. was erwartet uns denn als nächstes?

das weiß keiner so genau. die songs auf unserem ersten album waren sehr ruhig und bedächtig. als wir sie damals live spielten, merkten wir, dass die leute, die zu unseren konzerten kamen, eigentlich party machen wollten. deshalb klingt unser zweites album auch deutlich unterhaltsamer. jetzt wollen wir vor allem party-songs schreiben, weil es einfach spaß macht, diese live zu spielen.
anfangs waren wir noch sehr unerfahren was studioarbeit und das produzieren eines albums angeht. wir haben auf "fingers crossed" vor allem rumprobiert, haben gelernt, die verschiedenen instrumente zu spielen und wie man eigentlich ein album aufnimmt. es hat zwei jahre gedauert und wir haben an bestimmt 50 verschiedenen orten produziert.
mit der zeit sind wir natürlich besser geworden, aber auch vielseitiger. und wir haben unser eigenes studio, was die produktion deutlich einfacher und professioneller macht.

ihr benutzt auf eurem aktuellen album um die 40 verschiedene instrumente. wie habt ihr die alle ins flugzeug bekommen?

es ist sehr eng. wir brauchen jedes mal um die zwei bis drei stunden am flughafen zum einchecken. wir haben elf kisten voller instrumente, teils sechs bis sieben instrumente pro kiste.

das heißt, ihr nehmt wirklich alle instrumente mit auf tour?

klar. wir wollen natürlich den sound des albums so weit es geht auf den live-sound übertragen. das geht am besten, wenn wir auch auf der bühne unser ganzes equipment nutzen können.

wozu braucht ihr denn eigentlich noch gastmusiker auf eurem album, wenn ihr bereits so ein umfangreiches instrumentarium besitzt?

na ja, wir können auch nicht jedes instrument spielen. wenn wir zum beispiel an einer stelle ein fagott wollen, weil die tuba vielleicht zu schwer klingt, dann müssen wir eben jemanden finden, der das spielen kann. natürlich klingen beide instrumente ähnlich, aber eben doch nicht gleich. wir sind sehr penibel, was unseren sound angeht und achten sehr darauf, genau den richtigen klang für unsere stück zu finden. wenn wir also einen speziellen sound zum beispiel dadurch erreichen, dass 50 leute mit rasseln bewaffnet in einem raum singen, dann muss genau das gemacht werden.

diese arbeitsweise scheint sich auszuzahlen. vor einem jahr außerhalb australiens noch völlig unbekannt, fing es an, sich – dank internet – weltweit herumzusprechen, dass eine der interessantesten popbands in melbourne lebt.

als wir letztes jahr durch europa getourt sind, eine sehr kurze tour übrigens, waren die shows alle großartig. jedes mal volles haus und eine super stimmung. und das, obwohl unser neues album hier noch gar nicht veröffentlicht worden war. die leute haben sich die songs eben aus dem netz geladen oder von freunden per e-mail geschickt bekommen. was es für bands wie uns, die aus einer ecke der welt kommen, von der man nicht ständig etwas hört, viel einfacher gemacht hat.

und wie ist es um die musikszene melbournes bestellt?

nun, viele unterschiedliche bands kommen aus melbourne. das liegt vor allem daran, dass es dort so viele clubs und kneipen gibt, in denen man live auftreten kann. man kann sich eigentlich jeden abend aus einer vielzahl verschiedener konzerte, die auch noch meist umsonst sind, ein gutes aussuchen. und es ist relativ günstig, dort zu leben. eigentlich perfekt für musiker

wir plauderten noch ein wenig über all die jungen aufstrebenden bands, denen derzeit eine globale aufmerksamkeit zuteil wird, wie z.b. die youth group, sleepy jackson oder wolfmother. wir stellten fest, dass melbourner eigentlich wie europäer sein wollen, und sänger cameron bird später auf dem konzert, dass hamburger nicht zwingend aus hamburg kommen und in der schanze nur falafeln zu finden sind

der musikalische teil des abends war im gegensatz zum sehr entspannten gespräch mit tara und isobel durchaus gewöhnungsbedürftig oder zumindest ausgefallen. hatte man sich gerade an einen groove gewöhnt und begann zu tanzen, folgte garantiert ein bruch in der musik oder das stück war bereits wieder zu ende. zum staunen war der abend allemal und trotz anfangs eher mäßiger stimmung (die vorband tilly and the wall hatte dem publikum mit ihrem stepp-rock wohl schon zu sehr zugesetzt) wurden architecture in helsinki noch zweimal wieder auf die bühne gerufen. den wunderschönen und höchst skurrilen abschluss bildeten drei kanadische hockey-damen, die auf wunsch der band ihre nationalhymne zum besten gaben, während die musiker etwas völlig anderes spielten. schräg.
genau wie der name der band. und wer wissen will, was er bedeutet, der muss jetzt doch leider im internet schauen, denn wir haben die wichtigste frage einfach vergessen zu stellen.

(interview: torben deinert und moya maguire / 09.05.06 / uebel & gefährlich)

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