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interview - crash tokio

crash tokio : interview

eine band, deren zweites album "we are plastic" gleich mit einer bonus-dvd daherkommt, auf der sich ein video zu jedem song befindet - das kann nur eine band mit höchst kreativem output sein. wir haben uns mit den vier rockern von crash tokio zum kaffee am morgen getroffen.

wie wichtig ist euch style?

nina: vielleicht sehen wir jetzt gerade etwas assig aus, aber das ist schon wichtig für uns. wir machen alles selbst, egal wo's ums entwerfen oder designen geht, egal ob homepage oder t-shirts. bandintern wird alles abgestimmt, zum beispiel wenn's darum geht, wie man sich auf der bühne anzieht. das musikmachen ist natürlich das allerwichtigste, und gute musik ist die voraussetzung, aber es ist halt nicht genug, wenn man sich im schmuddel-t-shirt hinstellt und dann so spielt.

warum habt ihr euch dafür entschieden, auf englisch zu singen?

pese: für mich war das immer sofort klar, dass ich englisch singen will, weil da die vorbilder waren und die bands, die man gehört hat. und ich mich bis heute auch nicht so flammend erwärmen kann für rockmusik mit deutschen texten. wir haben da auch kein problem mit. wir haben eine hohe affinität zur englischen sprache, und deswegen ist das auch völlig okay so.

du hast vorhin gesagt, am anfang war das nicht da, dass ihr über die grenzen deutschlands hinausgehen wolltet, wie ist das dann jetzt?

nina: also was heißt am anfang war das nicht da, man fängt ja immer an mit der intention, musik zu machen, die ganze welt soll's hören. man will mit 15 nightlinern auf tour gehen und in der royal albert hall spielen. wir haben's jetzt zumindest schon mal auf nen sprinter-bus gebracht und auf eine zusammenhängende tour am stück, sowie auf eine wundervolle veröffentlichung auf dem tapete-label, das jetzt vielleicht seine platten auch im skandinavischen raum veröffentlichen wird. womit dann für uns der ausländische release vielleicht doch wahr wird (außer österreich).

ist das der traum jedes musikers, "big in japan" zu sein?

nina: also ich würd das schon sehr schick finden.

oder lieber "big in straubing"?

nina: nee, lieber "big in japan"!
pese: big in japan und big in skandinavien, das wär toll.

warum skandinavien?

pese: man stellt sich das so vor, dass da viele leute leben müssen, die guten musikgeschmack haben, und guten klamottengeschmack, und generell einfach nett sind und gut aussehen. nina und ich waren schon in norwegen mit miles und konnten das tatsächlich auch so feststellen. das ist schon sehr toll.
nina: aber sehr teuer. alle unsere traumländer, oder ziele, wie osten oder norden, ist einfach alles zu teuer.
pese: japan ist zu teuer, norwegen ist zu teuer, schweden auch. aber skandinavien ist auf jeden fall, wär schon sehr schön, wenn man da mal touren könnte zumindest. also wenn sich das jetzt ergeben könnte, dass die platte dort veröffentlicht wird, und man dann ein paar konzerte spielt, dann wär das schon super. und dann vielleicht sogar mit unseren schwedischen freunden von last days of april.

als ihr klein wart, was wolltet ihr da werden? musiker?

pese: ich nicht. das war für mich ganz weit weg. ich glaub ich wollte tierarzt werden
hase: ich wollte mal schreiner werden.
nina: echt? (allgemeines erstaunen)
hase: als ich klein war!
nina (zu sebastian): was wolltest du eigentlich werden?
sebastian (schlaftrunken): ich glaub, fußballer.
nina: das kann ich mir vorstellen. ich wollte nena werden.

und wie seid ihr dann zum musikmachen gekommen?

nina: ich wollte unglaublich gerne klavier lernen. meine mutter hat immer gesagt: "dafür ist in unserer wohnung kein platz." daraufhin hab ich dann erst mal flöte gelernt, und dann geige, alles auf eigenen wunsch! wozu meine eltern dann immer, wenn ich geübt habe, gesagt haben: "thekla! thekla!" - das ist die spinne bei biene maja, was mich dann echt sehr schwer getroffen hat. da hab ich dann auch geweint und so. ich wollte immer noch klavier lernen, und es war immer noch kein platz, und da hing eine gitarre bei uns an der wand, die sich mein vater mal gekauft hatte vor 20 jahren. und dann hab ich halt gitarre gelernt.
pese: bei mir war das so: ich wollte unbedingt auch ein musikinstrument lernen. ich komm vom dorf und da gab es keine musikschule oder so, es gab nur so nen musiklehrer ausm nachbardorf, der einmal die woche zu uns gekommen ist. der konnte aber nur akkordeon und gitarre. ich hab mit akkordeon angefangen, und dann hat mir das nicht gereicht, dann wollte ich noch gitarre lernen. dann hat es aber nicht lang gedauert, bis ich das alles konnte, was er mir beibringen konnte. dann hab ich aufgehört, und immer so gespielt und gesungen und irgendwann hat die nina mich gefragt, ob wir nicht ne band machen wollen für den abschlussball, weil wir zusammen am gymnasium waren. das war unsere erste banderfahrung, sozusagen.
nina: der hat immer gesagt: "in'n mikro? in'n mikro singen? nee..."
pese: da hab ich mich tierisch vor gefürchtet. das ist ganz ungewohnt gewesen.

die bühnenangst müsst ihr ja dann irgendwann abgelegt haben.

nina: ja, aber man muss ja doch irgendwie exhibitionistisch veranlagt sein, um das machen zu wollen. wenn man das nicht will, dann ist das eine schwierige berufswahl.
pese: der hase und ich, wir sind jetzt nicht unbedingt die offensichtlichen bühnenrampensäue. das muss man dann lernen und gucken wie man seinen platz findet, wie man das macht. aber das haben wir mittlerweile auch ganz gut gelernt.

ihr sagt von euch selber, ihr seid eine demokratische band. führt das dann nicht irgendwann zu konflikten?

hase: zwangsläufig ja. es gibt entscheidungen, die werden mehrheitlich gefällt, und da kann es schon mal sein, dass man aneinander gerät.

was für entscheidungen sind das dann zum beispiel?

hase: das fängt im kleinsten an und hört im großen auf, d.h. bei der musik hört's dann auch auf.
pese: wann bandprobe sein soll, zum beispiel. das geht dann bis ins kleinste detail.

auch tatsächlich so weit, dass man sagt: oh, der akkord hört sich doof an?

pese: ja klar. und auch: macht man hier nen break oder was spielt das schlagzeug, was spielen die gitarren, was macht der bass, sollen wir das jetzt so singen oder so singen oder so. da hat aber auch jeder das recht, seine meinung zu äußern.
nina: es entscheidet sich ja ganz schnell, wie eine band funktioniert. entweder es ist halt so'n despot da, der aber auch das chef-sein so erfüllt, das er das recht hat, was anschaffen zu dürfen, oder man lernt eben so eine teamfähigkeit, und das ist eigentlich schon eine qualität, die ich an der band schätze.

wie lange habt ihr dann diskutiert, bis euer album fertig war?

nina: wir haben halt immer songs gemacht, und versucht, die irgendwie an die öffentlichkeit zu bringen. wir haben in münchen dann einen verlag und ein studio gesucht, in dem wir aufnehmen können. als wir 6 songs fertig hatten, haben wir die dann halt rumgeschickt. irgendwann kam tapete records ins spiel, und wir durften auch mal nach hamburg fahren, und fanden das alles hier sehr toll, und dachten: wow, auf das label müssen wir unbedingt kommen, und haben uns dann noch mehr angestrengt. auch als dann klar war, dass dieses label unsere platte machen würde, gab es noch mal einen kreativitätsschub. das war eigentlich gerade für die demokratische arbeitsweise in der band sehr förderlich, weil sie dann gar nicht mehr so basisdemokratisch war, sondern auch mal die leute einzeln entscheiden mussten, dadurch dass wir einen gewissen druck hatten, dann und dann muss das fertig sein. so war es möglich, dass auch mal nur einer einen song schreibt, und der dann auch so gespielt wird. das war für uns eine neue arbeitsweise, und das ist auch gut. jetzt können wir beides.
pese: das ist ja auch super demokratisch, dass jeder einen song schreiben darf, und die band spielt das dann

könnt ihr von der musik schon leben?

nina: wer kann das schon? es gibt ja wirklich nur eine handvoll bands, die das können. ich denk immer, dass wir ein saugutes leben haben. wir machen das, was uns spaß macht, und wir jobben halt so außenrum, und das passt dann schon immer. aber das ist uns glaube ich auch lieber... hätten wir den wunsch nach einem festen einkommen und sonstigen vergünstigungen, die so ein hart arbeitender bürger/büroangestellter hat, dann hätten wir diesen weg wohl auch eingeschlagen.

wann habt ihr gemerkt, dass ihr nichts anderes machen könnt? habt ihr noch nie ein gewisses sicherheitsdenken gehabt?

nina: ich hab überhaupt kein sicherheitsdenken, aber ich glaub für den pese war das schon schwer, weil der von haus aus eher so veranlagt ist. und er hat sich auch dafür entschieden. also ich hab mal studiert, also gejobbt, studiert, musik gemacht. und das ging nicht alles in den tag rein, dann musste was weg. irgendwie musste ich geld verdienen, also hab ich das studium aufgehört. das war für mich überhaupt keine frage.
pese: prinzipiell war das bei mir ja genauso. also auch studium, musik und jobben, und das ging auch nicht. aber geld braucht man, und musik aufhören wollt ich nicht. wahrscheinlich war das schon eine klare entscheidung: gegen das studium, gegen eine berufliche karriere, sondern für die musik, ja. und seitdem... ja jetzt hab ich mich mal dafür entschieden, jetzt bleib ich auch dabei.

wenn ihr ständig tourt und immer in der gegend unterwegs seid, kann man da noch eine beziehung führen?

(allgemeiner tumult)

nina: ach, das ist schwierig. ich weiß nicht... manchmal mach ich mir da tatsächlich gedanken drüber, ob uns irgendwie das musikleben so verschroben gemacht hat, aber diese träume von scharen von groupies, ich weiß nicht, für manche erfüllen sich die ja (alle blicken auf sebastian) - aber jungs kommen nicht und sprechen mich an.
pese: es muss ja an uns liegen. es gibt genügend musiker, die freundinnen haben und beziehungen, wo das auch funktioniert, aber irgendwie sind wir doch die meiste zeit alleine unterwegs.

wird dann die band der familienersatz?

nina: ja, hundertprozentig. das ist ja wirklich wie eine familie auf tour, und das merkt man ja auch immer in dem moment dann, wenn jemand neues dazu kommt, wie das gefüge sich dann verändert. sebastian kam als letztes dazu, und er hat sich bis heute diesen status bewahrt, er ist der kleine, obwohl er eigentlich gar nicht klein ist. da schlägt er so seine profite draus, und wir sehen's ihm nach.

auf euerm albumcover habt ihr ja quasi den titel mit einer rasierklinge auf eine brust einritzen lassen. das ist natürlich nicht echt, aber es sieht so aus. der konflikt zwischen menschsein, echtem gefühl und plastikmensch, nicht echt sein - kann man heutzutage eigentlich überhaupt noch echter mensch sein ohne sich schmerzen zuzufügen und schmerzen zu fühlen?

hase: als mensch kannst du dich heute genauso fühlen wie früher auch. du musst dir nicht mehr schmerzen zufügen als früher. weil von der gefühlswelt hat sich nicht soviel geändert. nur die umstände haben sich ein bisschen verschoben. die großen gefühle waren früher da und sind heute da. vielleicht ist die ausdrucksform ne andere, einen schritt weiter. wenn wir jetzt zum cover zurückkommen: mit einritzen und so weiter, das ist halt eine sehr plakative aussage. ich hätte es nicht einritzen müssen, ich hätte es auch draufprojizieren könntest, mit nem tageslichtprojektor von mir aus - aber dann wäre die aussage auch eine andere gewesen.
nina: wir haben das ja aber auch bewusst so extrem gewählt! mit blut und menschlichkeit im gegensatz zu der plastikoberfläche.
hase: das cover sollte schon ein hingucker sein und erst mal wehtun. es sollte das gegenteil darstellen von dem plastischen, das von außen auf den menschen aufgetragen wird, auf der einen und dem verletzlichen menschen auf der anderen seite.

ich würde dir ja zustimmen, dass die schmerzwelt immer noch die gleiche ist, aber heutzutage trägt man seinen schmerz doch viel darstellender nach draußen.

nina: ich seh das auch so, dass durch reizüberflutung eine abstumpfung stattgefunden hat, dass es mehr schmerzen oder mehr zucker oder mehr fernsehsendungen braucht, um überhaupt irgendeine regung hervorzurufen. das ist ja genauso wie mit der liebe zum beispiel, die ist ja so was von idealisiert. vor 200 jahren gab es ja dieses phänomen "romantische liebe" in dem maße gar nicht. oder auch die körperlichkeit, der körperkult. das ist ja genau der widerspruch, dass ein körper so unglaublich perfekt sein muss, aber das ideal ist ja schon nicht mehr echt. das kann von der natur so niemals erfüllt werden wie wir das sehen in jeder zeitung. das ergebnis davon ist wahrscheinlich, dass jeder ein so großes versprechen für sein leben bekommen hat, und versucht, das einzulösen, aber gar nicht die möglichkeit dazu bekommt in seinem alltag.

aber diese perfektion sucht ihr doch auch im songschreiben, das ist ja schon durchdacht bis in die letzte sekunde, das hört man. da strebt ihr dann doch nach perfektion, da höre ich keinen fehler mehr raus, zum beispiel.

pese: ach doch, da sind viele fehler, wirklich ganz viele fehler, aber das ist richtig, dass man so eigentlich mit jedem song den anspruch hat, dass man's noch mal besser macht. man muss das für sein eigenes gefühl hinkriegen, um zu sagen: mensch, da haben wir jetzt aber noch mal einen draufgelegt, das hier ist super. man will in einem song auch teile haben, auf die man sich freut, wo man sagt: hier, hör mal, das ist jetzt der akkordwechsel oder dieser snare-schlag, einfach um sich gut zu fühlen. der musikalische anspruch strebt jetzt nicht unbedingt nach perfektion, aber es ist definitiv ein hoher anspruch.

viele lieder von euch kommen mir sehr positiv vor, das hat natürlich auch mit dem musikalischen genre zu tun, nennen wir es mal "powerpop", auch wenn ihr den begriff bestimmt nicht mögt, aber ich benenne es jetzt mal so plakativ. es ist ja schon ein sehr druckvolles nach-vorne-gehen, "we're safe in here", "it's alright" - das hört sich aufs erste sehr positiv an, und insgesamt kommt das auch so rüber, aber kann man bei so einer musik überhaupt noch traurig sein?

nina: also wenn man auch nur einmal drunterguckt: wir sind absolut nicht die band, die sagt: "es ist alles so schön, die sonne scheint, blümchenwiesen, und wir laufen hier händchenhaltend drüber", sondern hinter jedem "we're safe in here" oder so macht's ne biegung und dahinter lauert der nächste satz, der das eigentlich alles wieder aufhebt. ich möchte auch nicht so eine band sein, die alles so rosa malt. das ist schon ein spielen mit popklischees, weil es ist ja pop, aber das ist dann auch wieder die kunst im pop, das so umzukehren.
pese: oftmals sind die positiven aussagen auch in erster linie tröstend gemeint. das ist auch eine stütze, die man sich selbst gibt, wenn man texte schreibt und dann sagt: eigentlich ist jetzt doch alles super. was ich versucht habe, textlich immer hinzukriegen ist auch dieses wir-gefühl. wir sind eine band und wir können uns festhalten und auffangen, auch in den momenten, in denen es schwierig ist.

was sind die pläne für die nächste zukunft bei euch?

pese: wir werden im märz auf tour gehen. geplant ist zur tour ein ep rauszubringen, die es dann wahrscheinlich nur auf den konzerten oder über die homepage zu kaufen gibt, mit liedern, die nicht auf dem album gelandet sind, zum beispiel weil teilweise die mixe nicht mehr fertig geworden sind. ansonsten haben wir natürlich viele nebenprojekte bzw. spielen noch in anderen bands, und damit ist der zeitplan erst mal bis sommer verplant, danach kommen die festivals. ich will mich aber eigentlich schon bald wieder dranmachen ans nächste album.


auf www.tapeterecords.de/ und auf www.crashtokio.com/ gibt es jeweils einen albumtrack zum kostenlosen download als mp3.

interview : stefan hartmann

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