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interview - wedding present

the wedding present : interview (di., 07.12.04, stickman records hh)

es ist ein kalter und feuchter dezembertag, an dem ich am südöstlichen ende hamburgs zu einem interview mit den herren von the wedding present verabredet bin. bereits seit einiger zeit fahre ich auf der suche nach dem stickman records büro den allermöher deich entlang, als plötzlich am straßenrand ein frierender, durch seine hornbrille mich erwartungsvoll anblickender david gedge auftaucht. ich parke meinen wagen vor dem haus. offenbar hatte gedge gehofft, ich wäre der schlüsselmeister, denn das büro ist abgeschlossen und die jungs der plattenfirma verschollen. gerade haben wir es uns im auto zur fragestunde gemütlich gemacht, als uns tatsächlich durch einen eintreffenden jungen mann die tür geöffnet wird. wir treten ein, und schon bald strömt der aromatische duft frischen kaffees durch die zimmer. bei einer leckeren tasse milchkaffee bringen david und gitarrist simon alle zeitpläne durcheinander und plaudern mit mir in den nachmittag.


ich war überrascht, dass ihr euch nach über sieben jahren cinerama nun wieder the wedding present nennt. warum war diese änderung notwendig?

david: als wir vor ungefähr einem jahr anfingen, neue songs zu schreiben, wurde uns bald klar, dass diese sachen mehr nach the wedding present klingen als nach cinerama. unser ganzer sound hatte sich live ohnehin wieder in diese richtung zurückbewegt. oft kamen fans nach konzerten oder radiosendungen und fragten uns "hey, warum nennt ihr euch noch cinerama? es klingt wie the wedding present." schließlich war es klar, diesen schritt zu machen, ohne einer konkreten entscheidung zu bedürfen. für mich war cinerama auch immer das soloprojekt mit meiner exfreundin sally. aber nachdem sie mich verlassen hatte, erschien es mir richtig, diesen abschnitt hier zu beenden.

es war schließlich eine art schleichender prozess?

david: es spielten irgendwie mehrere überlegungen zusammen. nach "torino", dem dritten cinerama album, kamen erste zeifel auf. als ich vor sieben jahren mit cinerama begann, hatte ich mir schon vorgestellt, eines tages wieder etwas in diese richtung zu machen, aber es dauerte eine weile, um an diesen punkt zu gelangen. das neue album klingt anders, aber wir hätten uns auch aus anderen gründen wieder the wedding present nennen können.

diese entwicklung war nach "va va voom" nicht vorherzusehen.

david: dieses album sollte sich so weit wie möglich von allem abheben, was ich bis dorthin mit the wedding present aufgenommen hatte. es machte keinen sinn, neue songs aufzunehmen, die sich genauso anhörten wie meine alte band. also veränderte ich anfangs sehr bewusst sound und stil, um anschließend wie in einem kreis zurückzukommen zu meinem ausgangspunkt.

simon: es war jedenfalls nicht wirklich geplant. die ersten reaktionen kamen für uns daher doch überraschend, denn im grunde hätte "take fountain" auch ein cinerama album werden können.

welche bedeutung steht hinter dem albumtitel "take fountain"?

david: das ist ein zitat von bette davis.

simon: oh, ich dachte, es sei von may west.

david: ich dachte auch erst, es sei von may west. das hat uns jedenfalls unsere bassistin terry gesagt. also habe ich es allen leuten erzählt. irgendwann dachte ich, es sei besser, die geschichte nochmal im internet nachzusehen. terry verwechselt machmal solche sachen. ich habe also das zitat bei google eingegeben und es spuckte aus, dass es von bette davies stammt. sie wurde in einer fernsehshow von bob hope gefragt, wie ein junger schauspieler am schnellsten nach hollywood käme und sie antwortete einfach: "take fountain", denn die fountain ist eine der straßen, die einen direkt zu den studios bringen. ich fand diese antwort ziemlich schlagfertig und witzig. aber mit dem album steht der titel ansonsten in keinem zusammenhang.

die erste single "interstate 5" klingt ein wenig nach filmmusik, besonders der schluss erinnert an einen ennio morricone soundtrack.

david: wir haben dafür instrumente benutzt, die man schon auf den cinerama alben hören konnte. natürlich ist dies jetzt eine wedding present platte, aber viele ideen haben wir mitgenommen. anfangs war cinerama stark durch klassische filmmusik beeinflusst. davon sollte auch etwas auf dem neuen album zu hören sein. simon hatte dann diesen einfall mit den trompeten, der dem ganzen diesen leicht durchgeknallten touch verleiht.

simon: hätten wir noch ein weiteres cinerama album aufgenommen, hätten wir sicher noch mehr solch kleiner schnipsel in die songs eingebaut. wir haben eine menge in den letzten jahren gelernt. solche erfahrungen haben auch das neue album beeinflusst.

"i'm from further north than you", "don't touch that dial" oder "larry's" sind bereits für cinerama geschrieben worden. hat sich deren sound seitdem stark verändert?

simon: sie klingen vielleicht ein wenig rockiger.

david: die cinerama versionen entstanden ziemlich schnell, nachdem wir diese songs geschrieben hatten. als wir dann die tour für "torino" machten, spielten wir sie live viel rauher. ich habe vorgeschlagen, "don't touch that dial" einfach ohne die ganzen streicher nochmal aufzunehmen. dadurch klingt der song jetzt viel besser als vorher.

welche der songs entstanden, nachdem ihr entschieden hattet, ein neues wedding present album aufzunehmen?

david: das ist wirklich schwer zu sagen. es war ein langer prozess, in dem songs immer wieder verändert wurden. die aufnahmen zu diesem album unterscheiden sich stark von unserem bisherigen vorgehen. bislang sind wir immer mit ungefähr sechzehn songs ins studio gegangen und haben alles in wenigen wochen fertiggestellt. aber diesmal hat es viel länger gedauert. erst haben wir einige aufnahmen in chicago gemacht. einiges wurde auch in seattle eingespielt, wo ich eine zeit lang wohnte. zusätzlich haben terry und simon noch eigene spuren aufgenommen. heute weiß ich gar nicht mehr, wann eigentlich was entstanden ist.

"ringway to seatac" erinnert mich am stärksten an den typischen alten wedding present sound.

david: richtig, durch die schnellen gitarren stimmt das schon. ich glaube, the wedding present waren über die jahre hinweg nie auf einen sound festgelegt. da gibt es ja auch die dunklen, von steve albini produzierten alben, die "take fountain" sicher eher ähneln. ich bin eigentlich sehr stolz, dass jede wedding present oder cinerama platte eine eigene persönlichkeit besitzt. genauso ist es auch bei "ringway to seatac". es ist ganz eindeutig ein wedding present song, aber gleichzeitig ist er eben auch ganz anders.

worum geht es in dem song?

david: ringway ist der flughafen in manchester und seatac heißt er in seattle. er handelt also eigentlich vom flug von manchester nach seattle. es ist alles sehr hintergründig auf diesem album (lacht).

der zweistimmige gesang steht nicht mehr im vordergrund wie noch bei cinerama.

david: terrys gesang ist schon recht präsent, steht aber in der tat ein wenig im hintergrund. sie hatte ursprünglich für jeden song eigene backingvocals geschrieben. eines tages kam sie rein damit, wir hörten es uns an und sagten: "yeah, das klingt gut, yeah, das geht auch, ehhh, ich weiß nicht so recht …". ungefähr die hälfte haben wir behalten.

am 1. märz 1985 habt ihr euer erstes konzert gespielt. habt ihr damals gedacht, 20 jahre später noch auch tour zu gehen?

david: nein, überhaupt nicht. damals habe ich gedacht, dass ich das höchstens fünf jahre mitmache. ich wollte nie so werden wie etwa die stones, die immer weitermachen und auf tour gehen. für einen sechzehnjährigen jungen erschien das auf keinen fall richtig. aber deine betrachtungsweise ändert sich mit der zeit. wenn ich heute auf diese frühen tage zurückschaue, muss ich zugeben, dass wir jetzt eine viel bessere band sind als damals. heute weiß ich genau, wie man songs schreibt und platten aufnimmt. hätte mir damals jemand so etwas gesagt, hätte ich ihn natürlich dafür gehasst.

was hat sich in den letzten 20 jahren im indierock geändert?

simon: nicht viel. es gibt immer bands, die den durchbruch schaffen, bis die major labels aufmerksam werden und irgendwann hat man davon genug. das wird sich auch nie ändern, denn die popkultur in großbritannien, den usa oder auch deutschland ist dafür zu tief verwurzelt. irgendjemand wird sich immer mit seiner gitarre hinsetzen und songs schreiben. es gibt so viele leute, die mir ihre sachen senden, aber außer mir wird wohl niemand je davon hören.

david: der erfolg gelingt nur, wenn deine musik gerade angesagt ist. es kommt allein darauf an, was die menschen momentan hören wollen. für mich bedeutet das, dass letztlich nur die guten bands dauerhaft die trends überleben werden. das kann einfach sein, wenn du angesagt bist, weil du dann einfacher die aufmerksamkeit bekommst. aber wenn du nicht angesagt bist, wird es sehr schwierig werden.

sollten durch fernsehen und radio nicht mehr junge bands gefördert werden?

david: oh, es gibt ein paar programme bei der bbc, die sich dafür einsetzen. aber für unsere musik ist es da schwierig. es gibt einfach nicht genug hörer, also wird sie auch nicht so oft gespielt. john peels show war für bands wie uns immer eine plattform, die es nun nicht mehr geben wird.

eigentlich wollte ich gar nicht über john peel sprechen, aber vielleicht möchtest du dich dazu äußern?

david: es ist merkwürdig, aber ich kann es bis heute eigentlich nicht begreifen, um ehrlich zu sein. allein darüber zu reden fällt schwer, denn es klingt vielleicht blöd, aber ich habe stets gedacht, dass er da sein wird. ab 1975 bin ich mit seinen sendungen aufgewachsen. später kannte ich ihn natürlich sehr gut, obwohl ich nicht sagen kann, dass ich sein freund war. dafür war da meinerseits zu viel respekt. ich meine, schließlich war er immer noch john peel. von nun an wird es für neue bands noch schwieriger werden, denn er spielte alle sachen, die er mochte. ihm war es egal, was angesagt war oder gehypt wurde. er war das komplette gegenteil. wenn etwas angesagt gewesen wäre, hätte er es nie gespielt. dadurch konnte man eine menge vielseitiger und interessanter musik in seiner show hören. ich bin sicher, dass das auch weiterhin möglich sein wird, aber es wird bestimmt seltener werden.
als er starb, klingelte den ganzen tag über mein telefon. die leute von der bbc oder dem guardian wollten einige sätze von mir hören, aber ich sagte "nein". ich sprach mit meiner freundin darüber. es war, als sei ein freund oder ein familienmitglied gestorben. dann rufen auch die journalisten die angehörigen an und fragen nach dem verstorbenen. aber dies war noch eine ebene darüber, denn john war eine persönlichkeit aus den medien, mit der ich auch nicht wirklich eng verbunden war. das ist doch verrückt.

obwohl ihr aus leeds stammt, habt ihr euer erstes album nach george best von manchester united benannt.

david: ich bin in leeds geboren, aber mit zwei jahren nach manchester gezogen und dort aufgewachsen. und ich bin auch ein manchster united fan. aber selbst wenn ich es nicht wäre, hätte ich diese platte "george best" genannt. er ist ein legende und eine popikone. er lebte in verschiedenen welten, ging in die disko, interessierte sich für mode, und er sah dazu ziemlich gut aus. außerdem ist der name ein großartiger albumtitel. damals haben mir einige leute vorgeworfen, ich würde mich mit george best auf eine stufe stellen. ja, ok, genau das habe ich getan (lacht).

simon: er hat sein leben zerstört, oder jedenfalls ist er noch dabei es zu zerstören.

david: es ist eine ziemlich faszinierende geschichte. irgendwann wird es bestimmt einen film über sein leben geben. und wenn jemand dann nach der passenden musik sucht, werden wir schon da sein.

zurück zur gegenwart. wie sucht ihr für die kommende tour die songs aus?

david: es ist ein alptraum. wir könnten es einfach machen und eine art greatest hits tour spielen. aber das würde uns keinen wirklichen spaß bringen.

simon: gewöhnlich fange ich an, suche meine liebligsstücke raus und erzähle dann david davon. er kommt dann meist mit einigen bedenken wie "oh, diesen song können wir nicht nehmen, weil ich den gar nicht mehr singen kann". anschließend rechtfertigen wir uns gegenseitig unsere auswahl. "warum nicht brassneck?" "weil wir schon kennedy haben". wir haben ungefähr fünfzehn alben, aus denen wir auswählen können. selbst wenn wir nur jeweils einen aussuchen würden, könnten wir bereits eine stunde spielen. und wir müssen ja auch unser neues album promoten, so dass wir wahrscheinlich gut 20 songs haben werden. wir wollen jedenfalls versuchen, aus jedem wedding present und cinerama abschnitt etwas auszuwählen, das gut zusammenpasst.

david: außerdem möchte ich die fans nicht enttäuschen, die jetzt sieben jahre lang bei keinem konzert mehr waren (lacht). also werden die konzerte so um die 90 minuten dauern müssen. das perfekte set sind für mich 45 minuten. aber heute sind wir viel netter zu unserem publikum als früher. da haben wir wirklich keine kompromisse gemacht.

simon: andererseits kann man es bei den heutigen ticketpreisen einfach nicht mehr bringen, nur 45 minuten zu spielen. ich selbst sehe lieber drei bands, die je eine halbe stunde spielen, als eine, die anderthalb stunden auf der bühne steht. selbst wenn es meine lieblingsband ist.

aber keine zugaben, oder?

david: oh nein, aber das ist eine andere geschichte.

interview: carsten scheef

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