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interview - the departure

the departure : interview (do. 12.05.05 / grünspan hh)

seriously british - eine frage der form
vor ihrer supportshow für hot hot heat standen sänger david jones und bassist ben winton für ein interview zur verfügung.

wann hattet ihr das letzte mal gänsehaut?

d: letzte nacht. ich hatte sechs jägermeister...
b: ...letzte nacht hatten wir einen wirklich guten auftritt.
d: wir bekommen aber auch gänsehaut, wenn wir songs schreiben. ich liebe gänsehaut.

würdet ihr euch als typisch britisch bezeichnen?

d: yeah, well, nicht typisch, das wäre ja langweilig, eher exzentrisch britisch.

wie stehts mit dem humor, typisch britisch?

d: humor?
b: wir haben keinen!
(lachen)
b: wir kennen nur sarkasmus.
d: die meisten leute verstehen unseren humor nicht. wenn wir in interviews sagen, dass wir uns gegenseitig hassen, dann nehmen die das ernst. wir müssen dann immer lachen und das verwirrt sie noch mehr.

könnt ihr euch vorstellen, in einem eurer videos mit einem breiten lächeln aufzutreten?

(beide lachen)
im chor: no!
b: vielleicht irgendwann mal.
d: wenn mal etwas erfreuliches passiert.
(allgemeines grübeln)

ist es einfach zu schön, ernst und streng rüberzukommen?

david bricht in lachen aus. darauf erläutere ich ihm, dass ich die neu-auflage von "all mapped out" zwar technisch ausgefeilter, aber auch statisch und langweilig finde.

d: du magst das neue video also nicht?

nein, nicht so sehr, wie die erste version.

b: das erste hat ein freund von uns gedreht.
d: das neue ist glatter und fernsehfreundlicher, oder? ich bevorzuge das neue. ich denke, wir sehen darin cooler aus.
b: das erste war wie "yeah, let's move", voller energie... das zweite hat mehr von allem, ansprechender...
d (mit verteidigendem unterton): die meisten bands bewegen sich doch gar nicht, wenigstens bewegen wir uns ein wenig. schau dir die killers an, die stehen einfach nur da (imitiert eine statische pose) und sind platz drei der charts, so check that out.

aber in einem video zu eurer musik kann man sich doch gar nicht genug bewegen? ich meine, du singst "let's dance tonight" und so klingt es auch.

b: wirst du heute abend beim konzert sein?

ja.

b: da wirst du uns in bewegung sehen.
d: yeah, you will see some moves then... (lacht)

was scheint euch herausfordernder: eine form mit inhalt füllen oder einer bedeutung form verleihen?

(schweigen)
b: wichtiger ist es, etwas bedeutungsvollem eine form zu geben. eine vorlage auszufüllen ist nicht besonders anspruchsvoll.
d: alles, was wir tun hat eine bedeutung und wir wollen, dass es von leidenschaft erfüllt ist.
b: wir wollen keine fremden schablonen benutzen, wir haben unsere eigenen und wollen wir selbst sein.

was heißt das im bezug auf das neue video?

d: meinst du, wir füllen nur eine vorlage aus?
b: denkst du das?
d: ich meine, was willst du, die leute mögen es...

(darüber überwerfen sich die stimmen und man versucht sich verständlich zu machen, ohne unhöflich zu werden.)

ich habe eben nur das gefühl, dass das neue video zu "all mapped out" sehr formalistisch ist und man nach inhalt suchen muss. natürlich sieht es cool aus und kommt gut rüber, aber ich hab mich halt gewundert, ob da eine absicht dahinter steckt. die cover eurer singles sind ja in dem gleichen stil gehalten. david in einem düsteren raum und auf die wand hinter ihm wird ein lichtstreif projiziert, der sich an seinem körper bricht. dieses brechen der form durch den menschlichen körper wirkt auf einem foto sehr stark, also denke ich doch nicht zu weit, wenn ich euch eine aussage unterstelle, oder sieht es wirklich nur gut aus?

b: es ist cool, dass du dir darüber gedanken machst. es geht vor allem um die stimmung, die farben... da steckt eine bedeutung dahinter, aber eine feste bedeutung ruiniert das art-work. wenn du von bedeutung im art-work sprichst, dann als subjektive bedeutung. jeder muss etwas anderes darin finden können. wenn du sagst, was es bedeutet, dann bedeutet es nichts mehr.
d: das ist wie kreuzworträtsel ausfüllen.
b: es muss offen sein für subjektive wahrnehmung und dann funktioniert es auch innerhalb seiner stimmung. du musst nachdenken, wenn du es betrachtest.

... in einem fremdinterview erklärten the departure ihre songwriterischen ambitionen folgendermaßen: "we don't just want to write songs that sound good now, we want songs that will still sound good in ten years' time." ob ihnen das mit "dirty words" gelungen ist, werden wir in zehn jahren sehn, oder vielleicht auch schon in zwei. zeitloser anspruch auf die ewigkeit, wer hat den nicht.

ist es nicht irgendwo schizophren, ein leben zu führen, das von nachtleben und live-style bestimmt ist, und zugleich dessen repetiermechanismen zu durchschauen?

d: das war einer der anlässe, eine band zu gründen. du siehst all deine freunde ausgehen, all diese menschen jedes wochenende ausgehen, und alle haben ihre träume und niemand tut etwas für deren verwirklichung. ich denke viele sind in einem kreislauf gefangen und können da nicht raus, weil sie zu faul sind oder was auch immer. du musst das werkzeug in dir selbst finden, du musst das leben studieren und sicherstellen, dass es dir etwas bedeutet.
b: wenn du raus gehst und merkst, dass da etwas nicht richtig sondern immer gleich verläuft, dann ist das der erste schritt zur veränderung.
d: wenn du in einer band bist, dann stehst du unter strom und die band ist der fluchtweg aus dem alltäglichen kreislauf.

aber in solch einem kreis verläuft ja auch der bandalltag. busfahrt, ankunft, soundcheck, auftritt, after-show, trunkenheit, jeden abend neue fremde und die gleichen small talks...

b: wie du sagst, wenn es nie über diesen small talk hinausgeht, hast du das gefühl, jeden abend den gleichen leuten zu begegnen.
d: du weißt ja schon im vorraus, was für ein typ mensch beim konzert auftauchen wird. das ist merkwürdig...
b: und du kommst niemandem nahe beim small talk, es ist angenehm, aber dann verabschiedest du dich schnell.

auf der einen seite seid ihr als band abhängig von diesem wiederkehrenden rhythmus, auf der anderen seite fühlt es sich beklemmend an, verarbeitest du dieses gefühl in deinen songs david?

d: ich schreibe am liebsten am abend songs und dadurch entstanden ein paar songs über mich und begebenheiten mit mädchen in nachtclubs und die untiefe dieser ereignisse. ich will über persönliche erfahrungen schreiben, aber das soll interessant bleiben. ich will nicht nur über das eine schreiben.

in euren songs taucht oft die thematik einer mechanisch bewegten oberfläche der welt von tv, mode und medialisierung auf. ihr macht live-style zum inhalt und ausdrucksmittel, ähnlich wie zoot woman das getan haben.

d: ich höre viel david bowie und gary numan. deren musik drückt sehr gut die unterkühltheit und sinnlosigkeit der modernen welt aus. darüber handeln unsere songs, nicht alle, manche sind auch fröhlich... ich bin bis zu meinem 16ten lebensjahr in einer kommune ohne fernsehen aufgewachsen und als ich dann schließlich einen hatte, hat mich das überrollt.

warum habt ihr das album ausgerechnet nach dem song "dirty words" betitelt?

das album ist sehr persönlich. die lyrics sind wie die "dirty words" in meinem kopf. deshalb kam nur der titel in frage.

interview: wibke wetzker

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