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interview - deus

pocket revolution oder the ideal crash scenario

es ist mittwoch 16 uhr und wir bereiten uns beim döner-mann in der großen freiheit bei einem bier auf das interview mit klaas janzoons (violine und keyboards bei deus) vor. wenig später sitzen wir in der galerie36 drei tische vom kollegen mit tom barman entfernt, als klaas erscheint. er schlägt vor, runter in den kaiserkeller zu gehen, da das schlagzeug im hintergrund wohl etwas laut sei. irgendwie kommt es einem so vor, als wolle er sich auch aus tom barmans hörweite begeben. deshalb auch da auf streit zu schließen, wäre, wie das interview zu bestätigen scheint, völlig an haaren herbei gezogen. nach einigen worten über die "geschichtsträchtige kulisse" vergangener zeiten und unserer erklärung, dass dieser ort für uns und andere mittlerweile eher der ort ist, an dem sich die eigene bis dahin geheime liebhaberei zu bestimmter musik in lang durchtanzten nächten das erste mal manifestiert hat, sitzen wir einem aufgeschlossenem, bereitwillig erzählendem herren gegenüber, der auch gerne noch nicht gestellte fragen beantwortet.

zu beginn legen wir ihm dar, dass wir uns eine zeit lang keineswegs sicher waren, ob deus noch existiert. klaas zeigt verständnis und untermauert dies dadurch, dass auch er und seine kollegen eine zeit lang davon ausgingen, dass dieses kapitel beendet sei. dann traf man sich doch 2003 wieder und es begannen die arbeiten an "pocket revolution".

wie gestalteten sich die aufnahmen zum aktuellen album nachdem danny mommens (bass) und craig ward (gitarre) während der aufnahmen ausgestiegen sind?

klaas: wir fragten mauro pawlowski (gitarre), ob er uns aushelfen könnte, um uns einige bassspieler anhören zu können. mauro ist in belgien sehr bekannt und mit vielen projekten befasst, so dass wir nie gedacht hätten, dass er länger zu deus hinzu stoßen würde. erst als er auf beeindruckende weise mit alan gevaert, einem der besten bassspieler belgiens, zusammenspielte, kristallisierte sich heraus, dass wir die neue formation gefunden hatten.

war es für die beiden neuen bandmitglieder schwierig, dass sie auf die songs vielleicht keinen einfluss hatten?

klaas: sie hatten auf die zweite hälfte ihren einfluss. und auch die anderen songs waren nicht "fertig fertig". ich habe den eindruck, dass ihnen dieser umstand nichts ausmacht und hoffe, dass die nächste platte, wenn da eine sein wird, zum ersten mal in der geschichte von deus mit allen jetzigen mitgliedern aufgenommen wird.

der streit, den es mit danny mommens und craig ward gab, hört sich aus klaas’ mund nur noch halb so schlimm an, wie man sich das nach einigen berichten vorgestellt hat. so sei das tourleben nie craig’s leben gewesen. nachdem sich deus 1999 aufgelöst hatte, fragte craig später wieder an ob er noch gebraucht wird, und so begannen die aufnahmen. der trennung gingen keine persönlichen streitigkeiten voraus, er wollte sich nur dem tourleben nicht mehr aussetzen. klaas meint, es sei wohl besser, dass craig zu diesem zeitpunkt ausgestiegen ist und nicht erst bei der tour endgültig an seine grenzen gestoßen ist. danny hingegen habe sehr viel mit nebenprojekten zu tun gehabt, was mit deus nicht vereinbar gewesen war und zum streit führte. schon früher 1996 verließ steff kamil carlens (später bei zita swoon) die band völlig konfliktfrei, um auf dem aktuellen album seinen gesang wieder beizutragen.

für den zuhörer erscheint "pocket revolution" als sehr geschlossenes, harmonisches werk trotz all der probleme im laufe der aufnahmen. kannst du veränderungen hören?

klaas: ich finde, pocket revolution ist ein eine art überblick über die bisher von uns gemachten alben. es ist uns dabei gelungen den songs ihren raum zu geben. wir müssen nicht mehr diese art arthouse-rocksongs machen. wenn wir das gefühl hatten wir sollten einem song mehr laute, schräge töne geben, haben wir das getan. wirkte aber ein leiser song gut, beließen wir es dabei. zum ersten mal haben wir - mit der hilfe von cj bolland - das album komplett selbst produziert. und ich finde, das hört man.

war cj bolland eine bereicherung? er kommt ja eher aus der techno-schiene und hat da mit tom an magnus gearbeitet. das ist ja nicht wirklich euer style.

klaas: nein das ist es nicht. ihm war ja die existenz von pop oder rockmusik völlig fremd. aber er war offen dafür und mehr und mehr beeindruckt, dass man so etwas selbst machen kann. ihm kamen beim klang der violine beinahe die tränen. er brachte in seiner funktion als eine art assistent-producer/technician seine techno-einflüsse mit ein, was sich für die platte als sehr wertvoll erwies.

awar es beabsichtigt, dass sich "pocket revolution" ein stück weit wie "worst case scenario" und auch wie "ideal crash" anhört?

klaas: das war überhaupt nicht geplant. eigentlich wollten wir ein geradliniges rockalbum machen wie z.b. die queens of the stone age es tun. wir merkten aber, dass das nicht unser ding ist. und wie schon gesagt entwickelten sich die songs dann in die eine oder andere richtung und dabei stehen die alben der vergangenheit natürlich pate. deus ist nun mal "wcs", "in a bar under the sea" und "ideal crash".

es erscheint einem so, als ob du über die zeit die einzelne geige mehr und mehr gegen keyboards und string arrangements ausgetauscht hast.

klaas: es erscheint einem so, als ob du über die zeit die einzelne geige mehr und mehr gegen keyboards und string arrangements ausgetauscht hast.

wie entstehen songs bei euch?

klaas: tom schreibt ausschließlich die texte und trägt im wesentlichen die ideen zu den songs bei. die sind dann aber noch alles andere als fertig. auf diese weise machen wir sie zu deus-songs. manchmal entstehen sie aber auch beim gemeinsamen ausprobieren. es gibt keinen einheitlichen weg zum fertigen song.

wie kommt es zu euren für den betrachter auffälligen covern und albumtiteln?

klaas: bei den ersten beiden alben war rudy trouve noch dabei, welcher als maler die cover gestaltete. bei "ideal crash" musste einfach noch schnell etwas her und wir besorgten uns einen photographen, der das erledigte. ich denke, das merkt man der gestaltung auch an. es war vielleicht äußerlich nicht das beste was wir bisher abgeliefert haben. für "pocket revolution" gefiel uns dieser alte science-fiction-style, welcher wohl total out aber sehr schön ist. wir hatten die idee aus einem comic. jetzt sind wir in den zweitausendern angekommen und es ist nicht so und wird wohl nie so sein, wie diese bilder es heraufbeschwören. uns sind cover und titel schon wichtig, aber letztendlich muss halt ein bild drauf und ein titel drüber, und man sieht erst danach, wie alles zusammen passt.
bei den titeln ist uns in erster linie wichtig, dass sie gut im mund liegen. der titel "pocket revolution" passt aber wirklich auch sehr gut zu unserer entwicklung.

zum schluss erzählt uns klaas noch etwas über die musikszene in belgien. sie sei sehr reich. zum teil führt er das auch auf den eigenen schnellen erfolg von deus zurück. dies sagt er völlig frei von arroganz. er nennt das pop, girls in hawaii, millionaire, und viele mehr. viele der musiker kennt er. sie treffen sich in seiner bar und er lädt sie zu konzerten ein. belgien sei ein kleines land mit großen nachbarn. die eigene identität sei geprägt durch diese nachbarn und so entstünde gepaart mit einer sehr kreativen generation eine reichhaltige, wertvolle und gute musik.

vorsichtig beendet klaas das gespräch und bemerkt auf unsere frage, ob er es live lieber rockig oder leise mag, dass es nach zwei lauteren songs sehr schön ist, auch auf das ruhigere repertoire zurückgreifen zu können.

am abend eröffnen amusement parks on fire das konzert und man kann sich aufgrund des schlechten sounds kaum ein abschließendes urteil über sie bilden. es folgen die frames, welche teilweise auf deus’ "worst case scenario" zurückgreifen, dies aber gar nicht nötig hätten, um die menge auf ihre seite zu bringen. man hat manchmal das gefühl, deus vor augen zu haben, hätten diese ihre entwicklung ausschließlich auf wcs gegründet. trotzdem hat man eine ganz eigene souveräne band vor sich, die jeden konzertgang wert ist und so gut als vorband passt, wie es nur sein kann.
deus selbst begeistert mich auch beim schreiben dieser zeilen noch. sie bleiben keinen hit schuldig und jede ihrer platten ist gleichmäßig vertreten. die stimme des neuen gitarristen mauro pawlowski erweist sich als glücksgriff, auch wenn man merkt, dass er mit den alten songs nichts zu tun hatte. manchmal fällt einem gerade bei stücken aus "in a bar under the sea" die etwas dünnere instrumentierung auf, was deus aber durch lautstärke wettmachen. auch kann ich mich des eindruckes nicht verwehren, dass deus im wesentlichen auf der linken hälfte der bühne (tom und klaas) steht. ganz zusammen gewachsen wirkt diese band noch nicht, auch wenn man es dem klang mit kleinen einschränkungen kaum anmerkt. sie beginnen die zugabe mit dem geliebten "little arrithmetics", das mir wie alle ruhigeren songs dieses abends noch positiver auffällt als sowieso erwartet. als aus dem vorangegangenen stück klaas’ geige zum finalen "suds & soda" emporsteigt, ist meine freude und die der meisten anderen nicht mehr zurück zu halten. deus reizen, sich ihrer wirkung voll bewusst, dieses vielleicht beste livestück aller zeiten voll aus und lassen ein zufriedenes, glückliches publikum nach einem wunderbaren, langen konzertabend im dunkeln zurück.

(interview: hauke hansen und torben deinert / 23.11.05 / große freiheit 36 hamburg)

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