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interview - of montreal

während ich auf mein interview mit kevin barnes von of montreal warte, gesellen sich dottie und jamie zu mir, während sie versuchen, die rotweinflecken mit salzwasser aus jamies "einziger" hose zu waschen. wo können wir denn noch schnell ein bierchen trinken gehen? ich empfehle die mutter, da die astra-stuben geschlossen sind. plötzlich werden wir von einer wütenden reporterin, die aus der tür des nebenraums stürzt, unterbrochen: wir nehmen hier gerade ein interview auf und ihr seid definitiv zu laut! ups, denke ich, schon merkwürdig, wenn offensichtliche bandmitglieder von der presse zusammengestaucht werden, da sie doch auch irgendwie dazugehören, oder? dottie ist verständlicherweise aufgebracht "it’s so rude", schließt mich dafür aber gleich in ihr herz, da anscheinend doch nicht alle hamburger interviewpartnerinnen so unhöflich sind, und stellt mich kurze zeit später kevin vor.

hi kevin, schön dass du noch zeit gefunden hast. würdest jetzt sicher auch lieber mit deinen kollegen ein bierchen trinken gehen?

kevin: nein, ist schon ok, freu’ mich.

magst du uns dann ein bißchen über euer aktuelles album "sunlandic twins" erzählen. ich habe in einigen wörterbüchern geblättert, konnte aber "sunlandic" nirgendwo finden. was beudeutet es?

kevin: "sunland” ist die welt, die nina (seine frau, die in der band mitspielt) und ich erfunden haben, eine welt in der wir gerne leben würden, unseren eigenen planeten sozusagen, und da wir die einzigen sind, die in dieser welt existieren, sind wir eben die "sunlandic twins".

aber kevin und die of montreals mögen es in ihrer wortwahl grundsätzlich ungewöhnlich. da tauchen immer wieder wörter auf, die man nicht im wörterbuch findet. was hat das auf sich, oder magst du einfach nur wortneuschöpfungen?

kevin: ich habe tatsächlich ein fable für wörter und trage immer ein kleines buch mit mir herum, in das ich neue wörter schreibe, die mir gefallen und die ich dann später in meinen songs verarbeite. ich sehe das als eine art spiel, um meinen wortschatz zu erweitern.

ah, ich hatte schon an meinen englischkenntnissen gezweifelt.

kevin: keine sorge, ganz viele wörter kennen auch die wenigsten der amerikanischen muttersprachler. mein schärfster kritiker bezüglich meiner worte und texte im allgemeinen ist mein bruder david (der übrigens auch die wundervollen zeichnungen diverser cds entwirft). der sagt einfach: das ist nicht gut, das solltest du ändern und dann ändere ich es eben.

inwieweit ist david in den entstehungsprozess eines neuen projektes mit einbezogen? arbeitet ihr grundsätzlich zusammen oder gibst du ihm die fertig produzierte cd und sagst: mach’ mal was hübsches?

kevin: das variiert von album zu album. wenn david ein bißchen zeit hat, dann schicke ich ihm eine rohfassung und wir kreieren das album-konzept gemeinsam. manchmal hat er auch eine idee, die er dann umsetzt. für sunlandic twins haben wir z.b. fotos aus einem geographiebuch verwendet, die wir dann mit david zeichnungen am computer zusammengefügt haben. das cover ist ursprünglich das foto eines vulkanausbruchs, das wir bearbeitet haben. dadurch ist auch der der 3d-effekt entstanden.

also bist du doch nicht der alleinige kopf von of montreal, wie man hin und wieder liest. häufig werden diverse bandmitgliedern erwähnt, die die band verlassen haben und später wieder dazugestoßen sind, wie z.b. bryan poole. wer gehört denn nun genau mit dazu?

kevin: of montreal kann man als zwei ganz unterschiedliche projekte sehen: zum einen das studioprojekt und zum anderen die live band. für die letzten beiden alben war ich im studio sozusagen solokünstler und habe alle instrumente selbst gespielt. live haben wir in den letzten fünf jahren in etwa in der selben besetzung zusammengespielt. bei "gay parade" haben hingegen diverse musiker im studio mitgewirkt. das waren alles mitglieder des "elephant 6 collective’s". das ist eine gruppe von musikern aus athens (georgia), die man schwer einordnen kann, da sie von psychodelic bis hin zu 60s so ziemlich alles macht. ich würde von "high art in low fi" sprechen. für "gay parade" hat jeder seine instrumente und ideen mit ins studio gebracht, die wir dann alle zusammengefügt haben. das resultat ist dadurch eben so verschieden geworden, dass man es nicht einfach mit einem style bezeichnen kann.

im allgemeinenbezeichnest du die musik von "of montreal" als "alectronic cinematic avant disco". ist es gerade "in", einen neuen musikstil wie z.b. auch die hidden cameras mit ihrem "gay church folk", zu erfinden oder magst du einfach nicht in eine bestimmte schublade gesteckt werden?

kevin: es ist schon schwierig, wenn man immer dazu gezwungen wird, die musik, die man macht, mit fünf oder sechs wörtern zu beschreiben. Wenn ich es dann doch versuche, dann kommt manchmal etwas heraus, was nicht unbedingt sinn macht bzw. unter dem man sich nicht sofort etwas vorstellen kann. aber da wir so viele verschiedene elemente verarbeiten, kann man nicht sagen, dass wir ausschließlich 60s pop machen. es sind eben so verschiedene einflüsse bis hin zu den 1980ern. wenn wir rock’n roll machen würden, könnten wir das ganz einfach sagen, aber ich glaub’, das machen nicht...

nein, bestimmt nicht. für micht geht es teilweise schon in die sommer-pop und gute-laune-musik, die ich gerne höre, wenn es mir auch mal nicht so gut geht. ich empfinde die musik jedenfalls als sehr positiv. wenn man deinen texten aber genauer zuhört, dann fällt schon auf, dass sie alles andere als positiv sind, eher melancholisch mit leicht depressivem unterton.

kevin: du hast recht, ich bin nämlich nicht der glücklichste mensch der welt, sondern habe schon meine höhen und tiefen. wenn ich traurig bin, kann ich einfach keine deprimierende musik ertragen, da brauche ich einfach etwas fröhliches, das mich mitreißt und ein positives gefühl hinterläßt. trotzdem möchte ich manchmal die ganzen negativen gefühle zum ausdruck bringen, und das mache ich dann in den texten. das ist mir wichtig und damit kann ich auch umgehen.


wie reagiert euer publikum auf diese ungewöhnliche kombination?

kevin (der sich offensichtlich freut, dass sich jemand gedanken über die texte macht): ehrlichgesagt glaube ich, dass die meisten es gar nicht merken und denken, dass wir einfach fröhliche musik machen. die leute, die aber unter die oberfläche gucken, wissen unsere songs viel mehr zu schätzen, da sie eben auch die tiefere bedeutung sehen und die ganzen emotionen, die da hineinstecke.

zum abschluss möchte ich natürlich noch etwas über die siebenmonatige tour hören. wie ist es, so lange von zu hause weg zu sein und wie funktioniert das zusammenleben mit der band?

kevin: glücklicherweise verstehen wir uns untereinander alle sehr gut, so dass das kein problem ist, aber manchmal denke ich schon: wo bin ich überhaupt? gestern noch tokio, heute usa und morgen plötzlich europa. da braucht man schon eine art ersatzzuhause. für uns ist das die bühne, egal wo du bist, das ist immer gleich.

Ich bedanke mich bei kevin, unterhalte mich noch ein bißchen über die politischen klischees unserer beider heimatländer und wünsche ihm ein großartiges konzert.

mein wunsch geht in erfüllung. der sympathisch zurückhaltende interviewpartner verwandelt sich mit femininem glitteroutfit (wohl von nina geklaut) in einen hocherotischen frontman (vergesst robbie williams!) gemeinsam versprühen of montreal soviel energie, dass man unweigerlich mitgerissen wird: eine bunte bühnenshow mit tanzeinlagen im publikum und dem besten schlagzeuger der welt. wenn sich das nicht lohnt? hoffentlich stimmt beim nächsten mal auch die akustik. die weltbühne hätte sich so viel besser geeignet.

(interview: sabine zaeske / 07.11.05 / fundbureau hamburg)

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