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interview - the faint

was erwartet man vom interview mit einer band, die ihr neustes album in einer stillgelegten lagerhalle mit dem kosenamen "the orifice" (die körperöffnung) entworfen hat, deren sänger auf fotos am liebsten den mund lasziv in szene setzt und von "desperate guys" und "erection" singt? auf jeden fall nicht ein äußeres und eine konversation der gepflegten art. beides vereinte todd beachle aufs angenehmste, ohne aufgesetzt zu wirken. endlich mal ein interviewpartner, der die herausforderung annimmt, nachzudenken, bevor er antwortet, und dabei kam viel mehr interessantes zu tage, als uns hier abzudrucken möglich ist.

in der britischen musikpresse wurde euer stil als begegnung von duran duran und nine inch nails beschrieben. was hältst du davon?

das sind zwar nicht die bands, die unsere musik inspiriert haben, aber ich finde das nicht schlimm. da gibt es vielleicht ähnlichkeiten in meiner stimmlage und der baseline zu duran duran und im verzerrten stil zu nine inch nails. ich denke die beschreibung passt besser zu den älteren platten...

aber die reviews waren zu "wet from birth"...

oh, ich lasse den leuten gerne ihre meinung, aber vielleicht wären andere vergleiche angebrachter.

mit dem revival von punk und new-wave kamen auch die 80er wieder in mode und während sich die kleidung etwa nicht wirklich durchsetzen konnte, trieb von den 80ern inspirierte musik wieder blüten über die letzten jahre. electroclash ist da nur ein beispiel. wie sehr betrifft euch das? (the faint gibt es seit ca. 10 jahren)

well, zu beginn fanden wir diesen trend interessant. 1998/99 inspirierte das auch unsere musik, doch nach all dem touren wollten wir die nächste platte anders klingen lassen, endeten aber mit einem album (2001's danse macabre), das mehr nach new wave und den 80ern klang, als uns lieb war. wir fühlen da keine emotionale verbindung zu der bewegung, aber uns wurde auch klar, dass es unvermeidlich ist, mit ihr in verbindung gebracht zu werden. wir kommen über diesen sound wohl nicht drüber weg, haben uns aber von seiner offensichtlichen wichtigkeit weg entwickelt.

versucht ihr also den kontakt mit aus dem trend resultierendem mainstream zu vermeiden?

nein, idealer weise versuchen wir ein teil davon zu sein, um veränderung zu bewirken. wenn ich in den staaten rock-musik-sender im radio höre, ist das frustierend, weil da keine musik läuft, die ich mag. jetzt spielen sie manchmal die white stripes und die yeah yeah yeahs, und das ist toll. daran hätten wir gerne anteil, wenn sich mehr in diese richtung tun würde.

euer album klingt, als ob ihr versucht habt, neue element einfliessen zu lassen, zum beispiel die streicher...

ich glaube, wir waren so weit in elektronische musik vorgestossen, dass wir nicht das gefühl hatte, noch weiter gehen müssen. also haben wir etwas hinzugefügt, jenseits von elektronik und sich wiederholenden rockelementen wie den gitarrenriffs. eine möglichkeit waren da die streicher. wir alle mögen klassische musik und auf dem broken spindels album von joel, unserem basssisten, klang das sehr gut, also haben wir einige der abschnitte, die für keyboards vorgesehen waren, auf streicher umgestellt, und mochten das ergebnis.

einer von euch erzählte dem spex magazin vor zwei jahren, dass kunst, film, design und literatur eure hauptinspirationsquellen sind. irgendwelche hervorragenden kulturellen einflüsse, die für "wet from birth" von bedeutung waren?

das ist merkwürdig, immer wenn jemand diese frage stellt und dir fällt kein konkreter name ein, ist das, als müsste ich sagen, es gäbe gar keine inspiration, wir wären völlig autark. das stimmt natürlich nicht, aber es gibt wirklich nichts, das wir idealisieren würden. was wir an kunst und musik mögen ist, wenn es menschen gelingt, einen eigenen ausdruck zu schaffen, der einzigartig ist. jeder steht unter bestimmten einflüssen, aber wenn er das nicht nur abändert, sondern zu etwas neuem zusammenfügt, das so niemand anderer zu vollbringen mag, das ist es, was wir zu schätzen wissen.

glaubst du, es ist für musik, wie ihr sie macht, notwendig, die erfahrung eines lebens in der stadt zu haben?

omaha ist so eine kleine stadt. (:) ich meine unter einer million einwohner und das sehr weit verstreut. einige der texte beziehen sich auf das leben in der stadt, denn wir reisen natürlich, aber gleichzeitig sind da auch verweise auf das leben in der kleinstadt.

ich denke nur, wenn jemand eure musik hört, könnte er glauben, ihr kämt aus new york....

das hör ich oft. ich weiss wirklich nicht, aber eine menge der musiker in new york stammen ursprünglich aus städten wir omaha. vielleicht zieht sie alle das selbe an, und radio 4 oder interpol sind vom typ her ähnliche menschen wie wir, nur wir haben uns halt entschieden, in omaha zu bleiben, nicht zuletzt wegen unserem label.

was hat sich in der musikszene in omaha über die letzten 10 jahre hinweg verändert?

oh eine menge. (lange denkpause und dann erzählt todd von seiner ersten lokalen lieblingsband 3/11 und punk als jugendvision, den zarten beginnen auf omahas bühnen und wie merkwürdig die, von der presse geschürte, begeisterung der kids über lokale bands anmutet.)

fühlst du dich dann gleichgestellt mit neueren saddle creek bands oder nehmen the faint oder auch bright eyes und cursive so eine art tutorenposition ein?

the grandfathers? das ding mit den "neuen" bands ist, dass einfach niemand zuvor von ihnen notiz genommen hatte, dabei sind sie für omaha und saddle creek genauso wichtig wie bright eyes oder cursive, und manchmal gar prägender. ... eine gute frage und die antwort ist, dass die bands, die weniger bekannt sind und noch nichtmal einen plattenvertrag haben, oft die sind, zu denen man aufschaut, obwohl man mehr platten verkauft. von denen will man dann platten rausbringen, denn sie verdienen mehr aufmerksamkeit. (todd spricht von "man" als einer mischung aus seiner subjektiven und dem label, dass wirklich ein patchwork-familienunternehmen zu sein scheint.)

es ist ja keine schande, bei saddle creek zu sein. : das label wird doch schon in einem atemzug nach sub-pop und matador genannt.

das ist seltsam zu hören, denn wir sind mit musik von sub-pop und matador aufgewachsen und zu denken, dass unser heimatlabel in diesen kreis von labels eingeschlossen wird, haut mich um. : das ist schon irre. ich weiss nicht, wie die wahrnehmung von saddle creek weltweit ist, nur aus der omaha-perspektive: einige omaha-bands, die nicht auf saddle creek sind, fühlen sich jetzt betrogen, aber es gibt nicht soviel schlechtes gerede wie man denken würde. alle guten bands, ob saddle creek oder nicht, ziehen nutzen, denn sie werden mehr auf touren eingeladen und alle bemühen sich, die musik zu promoten.

noch ein paar fragen zu den lyrics. "drop kick the punks" zählst du auf deutsch an. gibt es dafür einen grund?

wir wollten den song kraft- und eindrucksvoll beginnen. in englisch zu zählen klang einfach nicht richtig. ich kenne einige songs, die in deutsch anzählen und ich mochte das immer.

klingt das nicht immer miltaristisch, nach befehlston?

also es sollte nicht wütend klingen, der song ist recht unbeschwert. wir wollten uns lustig machen über all die wut in der musik und gleichzeitig daran teilhaben. es geht um bands, die im radio als punk angekündigt werden und du denkst nur: "das soll punk sein? wollt ihr mich verarschen?". so ist es einerseits eine referenz an oldstyle-punk-musik (honoriert hier die sex pistols) und andererseits etwas auf den arm genommen.

"paranoiattack" beschreibt die diskrepanz zwischen implizierter angst und der realität. fühltest du dich zu einem statement bezüglich der politischen geschehnisse rund um die bush-regierung berufen?

wenn ich nicht aufhören kann, über etwas nachzudenken, dann wird ein song daraus und als wir von nachrichten bombardiert wurden, die unsere sicherheit in frage stellten, da hat mich das nicht in ruhe gelassen. der terror ist durch die terrorwarnungen allgegenwärtig und menschen decken sich ein mit tape zum abkleben der fenster oder gar gasmasken. es macht sinn, dass es menschen gibt, die die staaten in die luft schiessen wollen. unsere auslandspolitik ist seit jahren im arsch und schlechte entscheidungen machen alles noch schlimmer. es ist also eine reale bedrohung, aber warum gerade jetzt diese panikmache? und dann stellt sich heraus, dass alles kalkuliert war, um einen angriff auf den irak zu rechtfertigen. das ist die paranoia, um die es mir geht. eine, durch angst geschürte, paranoide situation. ich bin kein politischer experte und glaube nicht, dass ich den leuten fakten unterhaltsam vermitteln sollte. alles, was ich anbieten kann, ist, eine denkrichtung zu öffnen, die einen zusammenhang zwischen der paranoia wegen all dieser medialen eindrücke und der bombardierung des irak herstellt. vielleicht initialisiert es eine erhellende konversation, denken muss jeder für sich selbst. ... interessant, dass du sorum fragst. manche leute stellen mir die frage andersherum: "willst du jetzt auch politisch sein, weil das gerade trendy ist?". es geht hier nicht um cool sein, oder nicht cool sein. da liegt einfach etwas im argen. ich beschäftige mich mit musik, nicht mit politik, aber wenn etwas so deutlich wird, bleibt persönlich nichts anderes übrig, als zu sagen: "lasst den kerl (bush) nicht wieder die wahl gewinnen!".

todd hält an dieser hoffnung fest, nicht ohne zweifel. wir unterhalten uns auch noch über das wunder der geburt und die freudsche deutung des textes von "birth". todd assoziiert den geburtsvorgang mit tropischer atmosphäre, was auch daran liegt, dass ihm die gedanken zu "birth" am strand einer kleinen thailändischen insel kamen, und all das habe mit seiner liebe zu leonard cohen zu tun... diese vorstellung bringt mich zum lachen und todd in verlegenheit und dann lachen wir gemeinsam. das klima in der tanzhalle erinnert nur wenig später an die feucht-warmen geburtsphantasien todd's und ich beschließe, dass ich in zukunft desperate guys eine chance geben werde.

(interview: wibke wetzker / 27.09.04 / tanzhalle hamburg)

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