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interview - maximilian hecker

lange vor dem veröffentlichungstermin des albums fand ich mich in hamburg zu einem interview mit maximilian hecker ein, um ihm ein paar fragen zu dem neuen album zu stellen. noch bevor ich meine vorbereiteten fragen an den mann bringen konnte, legte hecker mir das artwork des neuen albums vor, das ich zu dem zeitpunkt noch nicht kannte und fing an zu erzählen:

…das ist wieder eins aus einer serie der finnischen malerin, aus deren arbeit ich auch das erste und das dritte album genommen habe. es ist kein auftrag… ich seh das so, dass es eine apokalypse andeuten könnte. oder besser noch: eine katharsis. nach dem wirbelsturm liegen zustände der reinheit und der ewigkeit. so könnte man es sehen, aber das ist ja jedem selbst überlassen…

ok, dazu später mehr. erzähl doch mal etwas über die neue platte und was anders ist als bei den bisherigen. du bist ja jetzt auch bei einer neuen plattenfirma.

die plattenfirma ändert an der musik ja nichts. es ist ein bandübernahmevertrag. die reagieren also erst, wenn ich das band vorlege. ich habe dem produzenten überlassen, das zu organisieren – das studio und so sachen. das war auch der gleiche produzent wie beim letzten album.
der unterscheid mit den musikern ist eigentlich der, dass ich diesmal nicht schlagzeug gespielt habe. bass hab ich eigentlich noch nie gespielt –also beim ersten album schon. dass ich das schlagzeug abgegeben habe, war so der eigentliche unterschied. und die ganzen orchesterinstrumente kann ich ja sowieso nicht spielen. die waren schon beim letzten album von streichquartett gespielt und hier kamen noch bläser dazu. von der liste der musiker her macht es einen anderen eindruck, als es in wirklichkeit war, aber der eigentliche unterschied war, dass ich diesmal nur gitarre, klavier und gesang gemacht habe.

viele deiner texte klingen nach unglücklicher liebe. deine info besagt aber, sie würden sich um die lasten des lebens drehen. ist die liebe diese last?

die befreiung von der last des lebens war ja meine definition von glück in abgrenzung zu einer leichteren vorstellung von glück. von realem glück durch z.b. tanzen oder so. man darf die texte nicht von den liedern isolieren. immer wenn von was die rede ist, was man als traurig stimmend interpretieren kann, muss man eben auch auf die musik achten, die dann sagt, es handelt sich hier nicht um traurigkeit, bzw. um das glück, das auf die traurigkeit folgt. also traurigkeit als reinigender prozess, als kathartischer prozess.

die stücke erwecken den eindruck von enttäuschter liebe…

darf ich mal sehen? (nimmt sich die eigenen texte…)

ich habe nie liebeslieder geschrieben in meinem leben. das sind alles erlösungslieder. liebe ist sozusagen viel zu trivial, um thema zu sein. einen text darf man natürlich auch nie wörtlich nehmen. für mich ist die gewichtung musik zu text so 70% zu 30%. man muss da schon eher auf die musik achten. die wirkung ist ja eher so ne einlullende, berauschende oder entspannende. der klang ist und war auch nie traurigkeit! es ist das, was der säugling empfindet: er fühlt sich geborgen, leicht und beschützt.

findest du nicht, dass deine musik was schwermütiges hat?

ne. für mich nicht. nicht schwermut, sondern leichtmut! das ist ne wahrnehmungsfrage. ich empfinde glück, wenn… scheinbar gegensätzliche situationen. der soundtrack zur apokalypse ist ein wunderschönes lied z.b. durch so ein gegensatzpaar potenziert sich das für mich, weil in jeder art von traurigkeit und depression auch immer die hoffnung ist. nach dem motto, es kann nur noch bergauf gehen. die trauer als reinigung oder so.

in "i´ll be a virgin, i´ll be a mountain”, dem titelsong des albums wirkt das ganze eher wie ein liebesversprechen.

das "you" ist da eher die menschheit. das lied handelt ja von der erkenntnis, dass der versuch, sich zu isolieren und ein geistwesen, ein gottähnliches wesen zu werden, scheitern muss und auch paradox ist. man kapituliert…"now it´s over"…dann kommt auf einmal die beschäftigung mit anderen menschen und der realität. sozusagen eine zweite geburt. wo man vorher immer nur nach oben geschaut hat und nun das erste mal um sich schaut und die welt wahrnimmt. man geht einen kompromiss ein, den man ja eingehen muss, weil man ja geist und körper hat. man lässt sich halt auf diese konstellation ein und steht sich nicht mehr im wege, weil man nach oben schielt auf die taube auf dem dach. und das als prozess des erwachsenwerdens. man verliert die illusionen. das erwachsenwerden stellt eher eine bereitschaft zum kompromiss dar. je älter man wird, wird man nicht perfekter, sondern im gegenteil: man gibt immer mehr ab von den träumen und versucht mehr und mehr in der gegenwart zu leben, so dass man das mögliche glück als mensch auf der welt erlebt und nicht durch zu viel verweilen in der vergangenheit und in der zukunft oder in anderen sphären sich selbst im wege steht.

es ist also auch der schritt weg von dem alten kunstfigur hecker, wie sie in der presse oft dargestellt wurde, hin zum realen menschen hecker?

das steht ja alles in der presse. das musst du ja nicht glauben.

klar, aber ist das nun ein bewusster schritt?

bewusst ist gar nichts! das ist ganz wichtig! ne, ne! es geht ja nicht darum, dass ich der welt oder der presse zeigen will, wies ist. erstmal geht es darum, dass ich mir diesen mikrokosmos schaffe und durch dieses kunstprodukt mir ermögliche, diese lücke zu füllen, die ich spüre als mensch in dieser welt. andere mögen das durch eine beziehung, durch drogen oder durch eine religion ausfüllen, andere wiederum durch kreative prozesse. dann kommt "jetzt kann ich das auch veröffentlichen". es wär ja eher ein armutszeugnis, wenn ich immer diese diskussion mit der öffentlichkeit im hinterkopf hätte und daraufhin produziere. das ist ein schritt, der danach kommt, aber erstmal gehts nur um mich. nur um meine eigene erlösung.
das lied schreiben ist ein total stumpfer prozess. das hat überhaupt nix intellektuelles, selbst der text. und hinterher erkennt man, was es bedeuten kann. selbst ich interpretiere die lieder.

"the saviour" klingt so, als ob das projekt der auseinandersetzung mit der realität gescheitert wär.

ne, das ist eigentlich ne koketterie mit größenwahn! da setz ich mich sozusagen gleich mit jesus. oder das lyrische ich sagen wir mal. da opfert sich einer, der die menschheit mit seiner pracht erlöst hat, wird scheinen bis er fällt. das ist der soundtack zu "titanic 2" oder so…
der prozess des erwachsenwerdens ist vielleicht erst so im gange. im titellied ist es ja auch die zukunftsform, die ich wähle. in der vergangenheit steht das sich verrennen in diesem gedanken, kein mensch zu sein, oder was anderes, was besonderes zu sein und diese vereinigung mit etwas höherem zu suchen. irgendwann kommt dann eben die erkenntnis "nein das ist ne sackgasse". dann die schmerzhafte kapitulation und vereinigung –statt mit dem höheren- dann mit dem realen.
der text heisst ja "ich werde mein gefängnis verlassen, ich werde meine insel verlassen, um zu dir zu schwimmen, nun da es vorbei ist." wenn man das lied nun weiter interpretiert, wird es natürlich schwierig; denn ich singe ja, "ich werde eine jungfrau sein, ich werde ein berg sein, wenn ich dich berühre und erreiche". das heißt eigentlich, dass die vereinigung mit der menschheit oder dieses menschwerden dann eben doch nicht stattfindet. eine jungfrau und ein berg kann ich ja gar nicht sein als realer mensch. es weist ja wieder daraufhin, dass es sich doch um einen außerweltlichen zustand handelt. oder es weist daraufhin, dass es mir unmöglich ist, diese vereinigung zu schaffen.
das lied hat im ende doch kein richtiges happy end. oder eben doch wegen der hoffnung nach diesem höheren zustand. dieser ewige widerstreit zwischen dem, was man will und sich wünscht oder ob man nun wirklich bereit ist, den kompromiss zu machen und sich mit der realität abzufinden oder dann doch wieder schwankt.

zur musik: der gesang hat sich ja geändert. du singst nun öfter mit "normaler" stimme und nicht kopfstimme. warum?

das war früher auch schon zum teil. das gabs immer schon. jetzt vielleicht etwas mehr, aber es ist kein großartiger bruch. ist vielleicht nur häufiger.
das ist aber nicht bewusst. es gibt zu jeder idee ne beste umsetzung. und wenn das falsett nicht passt, dann halt die bruststimme.
man kann das natürlich interpretieren, wer nicht mit sich selbst im reinen ist, ne künstliche stimme, das falsett, benutzt, um eben nicht so mit sich konfrontiert zu sein und dann etwas zu schaffen, was einen nicht an einen selbst erinnert. wenn ich die stimme wähle, mit der ich spreche, heißt das ja eher, dass ich mit mir im reinen bin und keine distanz schaffen muss.
das kann man so interpretieren, wenn man da bock drauf hat, aber man sitzt nicht da und denkt "jetzt bin ich mit mir im reinen und jetzt sing ich mal so". das ist eher zufällig.

die musikalische umsetzung: es wirkt alles viel opulenter. wie hat man sich das dann live vorzustellen?

da gibt´s dann natürlich keine streicher!

also keyboard…

ne, keyboard auch nicht. da fehlt dann halt was.

wie war das eigentlich mit der tour fürs goetheinstitut?

ich weiß nicht. die haben mich einfach angerufen, ob ich ne welttournee machen will.

und in welchem rahmen fand das statt?

das goetheinstitut hat mit den örtlichen clubs oder promotern zusammengearbeitet. das waren ganz normale auftritte.
auch in städten, wo uns keiner kannte, waren immer recht viele leute da, die das goetheinstitut angeworben hatte. das waren sicher auch viele deutschlernende dabei, die nicht unbedingt wegen der musik gekommen waren, sondern weil das goetheinstitut was angeboten hat. wenn z.b. in taschkent was los ist, dann ist da nicht an 50 orten was los, sondern an ein oder zweien…

hatten deine erfahrungen denn auswirkungen auf deine musik?

keinen direkten. das wird immer gefragt. man weiß gar nicht, was die leute sich vorstellen.

vielleicht hast du da in taschkent ein instrument endeckt und willst es unbedingt benutzen…

(belustigt) wie? das meinst du jetzt? so nach dem motto auf einmal sind die buschtrommeln auf dem album, weil ich in afrika war?

nein, ganz so natürlich nicht. aber damon albarn war ja auch in mali und das drauffolgende "blur"-album wurde dort aufgenommen. so mit schlagzeug im wüstensand und so…

das ist so dekadentes, sattes verhalten von bands, die ganz viel geld haben und nicht mehr wissen, wo sie noch ihre inspiration herkriegen sollen, oder? ich weiß nicht. aber schlagzeug draußen im sand…
ne, bei mir nicht…oder muse. da gabs mal bei einem album ne bonus dvd. und da steht dann der schlagzeuger in einem schwimmbad und spielt im wasser stehend auf ner bassdrum…für die aufnahmen halt.

machst du unromantische dinge?

bei den meisten ist das kunstwerk ja das gegenteil von dem charakter und dem, was man die ganze zeit macht. als kompensation. also ich bin kontrolliert, pragmatisch und unromantisch und fühle mich getrieben. und ich bin innerlich unruhig. meine lieder klingen wie das gegenteil entspannend und nach ruhe. nach erhabenheit und schönheit usw. das, was ich nicht fühle, erschaffe ich mir künstlich. das ist in den meisten fällen so, glaub ich.
dj ötzi z.b. ist bestimmt viel trauriger als ich. deshalb klingt sein musik so fröhlich.

wie bist du mit musik in berührung gekommen?

ich hab die musik gehört, die meine eltern so da hatten. schon als ich vier war, war ich fan von melanie. dann kamen die beatles.
irgendwann spielte ich -von den eltern gewünscht- blockflöte, hab dann aber das schlagzeug entdeckt. ich hab dann schlagzeugunterricht und klavierunterricht gehabt. und ich hab immer schon gesungen. also nicht erst mit 17. mit 17 hab ich das erste lied mit text geschrieben. hab also immer schon mit musik kontakt gehabt.

hast du ein großes vorbild?

eigentlich nicht. vielleicht die "beatles" und bob dylan. aber es gab auch andere vorbilder. die ersten waren halt melanie und "beatles", dann kam "queen", dann "nirvana" und so was, dann "radiohead", "oasis". also erst ab mitte der 90er jahre kamen dann die bands der zeit. vorher waren´s immer alte sachen. dann kamen "travis", "granddaddy", "cat power" und wie sie alle heißen. seit anderthalb jahren erst bob dylan.

was hörst du aktuell?

immer das gleiche. ich geb mir keine mühe, neue sachen kennen zu lernen. die neueste entdeckung ist bob dylan.

hast du ne verbindung zur klassischen musik?

nicht groß. meine mutter hat viele platten gehabt. ich habe aber wenig bezug zu klassik. vielleicht filmmusik. und dann die paar klassischen sachen, die ich im klavierunterricht kennen gelernt habe.
ich meine, manchmal klingt es bei mir vielleicht etwas nach klassischer musik, denk ich mal. aber ich hörs nicht viel.

kannst du dir vorstellen, mal was ganz anderes zu machen? ganz andere musik?

naja, ich mach ja auch so ausbildungsberuftechno! da hab ich schon so acht ganz schöne stücke mit texten, die unter die haut gehen.
ich hab da immer so textstücke aus ??? oder "sex and the city". wenn ich da auf was gutes stoße, nehm ich das so raus. "ich bin alkoholiker" heißt ein stück. immer das gleiche.

kommt das mal raus?

ich weiß noch nicht. es wär sozusagen das absolute gegenteil von dem, was ich sonst mache. wär vielleicht nicht uninteressant. so wie "bright eyes": zwei platten. und das ist dann die technoplatte.
ich leg das manchmal auf, wenn ich die gelegenheit dazu habe. das kommt immer sehr gut an irgendwie. die leute: "bitte fick mich! von wem is´n das?" "von wem war denn jetzt "ich will endlich gevögelt werden"?" oder wie nennt man denn die musikrichtung?
es ist immer ne nette freizeitbeschäftigung gewesen. mit so ´nem musikprogramm und `nem schlagzeugprogramm. ist halt nicht ernsthaft. in ernsthafter form ist noch nichts geplant.
ich war nie in der lage zu kollaborationen. ich weiß gar nicht wie das gehen soll. bisher.

die klassische frage…

was ist mit kate moss?

ne, aber wirst du danach immer gefragt?

ja, meist im ausland.

und? was war die antwort?

ich hab da ne ganze palette von antworten, die ich dann je nach interviewer sage. manchmal auch die wahrheit…

ok, und warum englisch und nicht deutsch?

ganz einfach: weil ich seit jeher, seit kind englischsprachige musik gehört habe und da musikmachen für mich immer imitieren ist –zum großteil- imitier ich natürlich auch die sprache der idole.

(interview: volker kindt / 19.08.06 / hamburg)

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