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interview - pelle carlberg

mein erstes astrastuben konzert. wer schon mal dort war, wird verstehen, dass ich mich beim betreten des späteren konzertraumes gefragt hab, wo das interview denn an diesem ort stattfinden soll. schließlich ist die astrastube doch arg klein. zur verabredeten zeit erschien ein sehr gut gelaunter und höchst sympathischer pelle carlberg. auf seinen vorschlag hin zogen wir uns in den indischen imbiss nebenan zurück, zumal er nach eigenem bekunden eh vor dem konzert gern noch etwas ruhe hätte. so saßen wir in etwas skurriler umgebung (s.foto) bei bier und saft und unterhielten uns bzw. ich interviewte den guten.

was ist mit edson passiert?

guter anfang! eine relevante frage! um die wahrheit zu sagen, edson war immer meine sache in einer band. zumindest am anfang. die idee war, dass ich edson sein sollte.
du kennst sicher den brasilianischen fussballspieler pele. sein wirklicher name ist "edson". pele ist sein künstlername. wenn er meinen richtigen namen als künstlernamen genommen hat, wollt ich seinen richtigen namen nehmen.
als ich leute für "edson" gesucht habe, wurden wir mehr und mehr eine band mit einer art demokratie untereinander. ich hatte aber das letzte wort und hab auch alle songs geschrieben. natürlich hatten die anderen einfluß auf die musik, was gut war – zu der zeit.
auf den ersten zwei alben hatten wir ein line up. bei dem dritten hatten wir einen neuen bassisten, einen neuen drummer, und wir haben einen gitarristen rausgeschmissen, so dass wir nur noch fünf anstatt sechs leute waren.
als wir das album dann herausbrachten, spielten die beiden neuen noch in einer anderen band (den schwedischen namen hab ich leider nicht verstanden…), die gerade einen vertrag bekommen hatte. da wollten sie natürlich mehr zeit mit ihrer eigenen band verbringen. daher hatte ich das gefühl, dass niemand richtig in der band und bereit war, sich für sie aufzuopfern – also auf tour sein, proben und aufnehmen.
an dem punkt hab ich beschlossen solo zu sein. ich hab es auch als herausforderung gesehen, zu versuchen, mich als musiker weiterzuentwickeln und mehr instrumente selber zu spielen. ich hatte eine vision von dem endresultat. ich hatte eigentlich immer eine vorstellung davon, wie ich dinge zu tun hab, aber vorher war ich halt etwas…faul. ich wollte nie lernen wie man aufnimmt. jetzt musste ich es. es hat ein paar monate gedauert, bis ich gelernt hatte, songs auf dem computer aufzunehmen.

also hast du das album allein aufgenommen?

ja, ich hab im "summersound studio" gearbeitet. das ist dasselbe studio, in dem johan von "labrador" arbeitet. wir teilen es uns. ich bin dort tagsüber, wenn meine kinder im kindergarten sind und er nachts. das studio wird dabei von neun uhr morgens bis nachts um zwei genutzt…

"edson" ist also definitiv geschichte?

ich glaube, wir werden nie mehr ein neues "edson" album machen. aber vielleicht kommen wir für ein paar konzerte mal wieder zusammen, wenn uns jemand haben möchte. z.b. werden wir wohl auf volkers (von antistars) großer hochzeitsparty im mai spielen. als "edson" mit den alten mitgliedern. sag niemals nie, aber es wird wohl kein album mehr geben.
dabei ist es für mich kein großer unterschied. ich schreibe die gleiche art songs und versuche, mich als songschreiber weiterzuentwickeln. ich hoffe, textlich mich etwas entwickelt zu haben. aber im prinzip schreib ich songs auf die gleiche art und habe so meine melodiesprache.

was war also der größte unterschied bei der aufnahme des neuen albums?

nun, als wir die "edson"-alben aufgenommen haben, war immer ein soundengineer da, der sich um alles gekümmert hat. bis ich wusste, wie ich den sound hinbekomme, den ich will, hat der das immer in den händen gehabt. aber jede person, die du in eine produktion einbringst, beeinflusst sie. so hat auch ein soundengineer seine ideen von sounds. diesmal hatte ich totale kontrolle.

aber auf dem neuen album spielen doch auch ehemalige "edson"-mitglieder mit.

das stimmt. philip singt z.b. background, weil sein stimme ganz gut zu meiner passt. aber diesmal haben sie alle das gespielt, was ich wollte. diesmal konnte ich ihnen sagen, wie ich mir das vorstelle. das ist einfacher, wenn es mein solo album ist. es ist sogar so leichter für sie, weil es für sie nicht wichtig ist, ob es ihnen nun gefällt oder nicht. klar können sie vorschläge machen, aber das wichtigste ist, dass am ende mir alles gefällt. wenn du in einer band bist, geht es mehr um prestige und reputation. so war ich wirklich zufrieden.
diesmal haben die aufnahmen sehr lange gedauert. bei den "edson"-alben hatten wir nur ein paar wochen. diesmal hat es lang gedauert, weil –wenn ein studio nicht so viel kostet- hast du mehr zeit, dinge auszuprobieren.
als wir die "edson"-alben aufgenommen haben, haben wir vorher alles im proberaum ausprobiert. als wir dann ins studio gingen, mussten wir praktisch nur den aufnahmeknopf drücken.

die "edson"-alben sind also live eingespielt?

mehr oder weniger. das erste haben wir bis auf den gesang live aufgenommen. und die akustikgitarren. wir waren dabei in drei verschiedenen studioräumen. das erste album wurde in sechs ein halb tagen aufgenommen – inkl. mischen! andererseits haben wir die songs zu der zeit schon jahre gespielt. wir wussten, was wir wollten.
ich finde, wenn es um popmusik geht, sollten die leute mehr versuchen, live einzuspielen. wenn du die instrumente einzeln einspielst, werden sie oft zu soft oder haben nicht genug energie.
als henry z.b. das klavier eingespielt hat, hab ich ihm gesagt, er solle es so spielen, als ob es live wäre. es ist nicht so wichtig, ob ein oder zwei noten nicht so genau sind, solange das feeling stimmt.

was ist dir wichtiger: die musik oder die texte?

das ist eine echt schwere frage! in gewisser weise sind sie gleich wichtig. andererseits mag ich songs, wo die texte nicht so gut sind. ein guter song mit schlechtem text kann trotzdem catchy und ein guter song sein. aber ein guter text mit schlechter musik, mit schlechtem song kann nie wirklich gut sein. also so gesehen, wenn ich mich entscheiden muss, ist die musik wichtiger. für mich ist aber die große herausforderung songs zu schreiben, wo die texte und die musik gut sind. sie sollen eine beziehung zueinander haben. die musik sollte sich mit dem text entwickeln.
meist schreibe ich die texte zuerst. dann füge ich die musik hinzu. das sorgt dafür, dass die musik mit dem text hand in hand geht.
andersherum ist es viel schwieriger. wenn du musik hast und schreibst einen text dazu, passen die wörter oft nicht zur melodie. so musst du viel mehr an dem text arbeiten, wenn er gut sein soll.

wird es einen gedichtband oder so was von dir geben?

nein, ich glaub, das ist was anderes. gedichte liest du alleine. es ist ein stück papier mit wörtern drauf. du musst das ganz anders angehen und herausarbeiten, um an die essenz einer sache zu kommen.
ich habe noch nie meine texte ohne musik gelesen. ich glaub nicht, dass sie gut genug sind.

sind wirklich alle texte autobiographisch?

ja, absolut. fast alles ist autobiographisch. manchmal schreib ich über freunde und leute, die ich kenne, aber es ist trotzdem mein blickwinkel. die "ich"-person in den texten muss nicht unbedingt ich sein. meistens ist es aber so.
es wirkt vielleicht ein wenig narzisstisch. ich benutze viel "ich" und "mich". es ist aber eine therapie für mich über dinge zu schreiben, die ich erlebe.

wie kannst du eine familie mit vier kindern und touren miteinander vereinbaren?

es ist echt schwierig. wenn ich nicht toure, verbringe ich viel zeit mit meiner familie. wenn ich aber auf tour bin, wird´s schwierig. dann helfen unsere eltern viel aus. aber es ist ok. meine frau arbeitet viel, wenn ich zu hause bin. wenn ich weg bin, arbeitet sie dann weniger. zurzeit bin ich auch immer nur wenige wochen am stück unterwegs. es würde richtig hart werden, wenn ich mal zwei monate oder so weg wär.
das kontrollier ich aber auch. ich sage den leuten immer, ich möchte nicht länger als zwei wochen weg sein. da komm ich lieber dann noch mal wieder, um den rest eines landes zu touren.

also bist du hauptberuflich musiker?

zurzeit ja. ich versuche einen hauptberuf daraus zu machen. ich hab als freelancer gearbeitet. als übersetzer vom englischen ins schwedische. meine letzte übersetzung ist aber schon lange her. als ich bei "edson" war in den späten 90ern und den frühen 2000ern, hab ich cdr-spiele für kinder gemacht. ich habe also gearbeitet, aber es ist ne weile her.
geld kommt und geht. es ist nicht einfach, ein familienleben zu führen, wenn du nicht sicher jeden monat einen bestimmten betrag bekommst.

wenn du superstar wärst und/oder freunde wie springsteen hättest, würdest du noch immer songs über "klein sein" schreiben?

weiß nicht! das ist ein interessanter gedanke! ich glaub, sich-klein-fühlen in der welt hat nicht unbedingt damit zu tun, wie erfolgreich du bist. das hängt mehr damit zusammen, was für ein mensch du bist, was für eine mentalität du hast.
aber natürlich hat superstardom auch viele leute über die jahre verändert. es ist wirklich schwierig zu sagen, aber ich denke, ich würd die gleiche art von texten schreiben.
schau dir "morrissey" an: er schreibt noch immer die gleichen songs, obwohl er ein superstar ist. er verkauft eishockeyarenen aus. dann bist du ein superstar! auch wenn der nachbar deiner großmutter vielleicht noch nicht von ihm gehört hat, ist er ein superstar. der nachbar deiner großmutter hat sicher auch noch nichts von "oasis" oder den "rolling stones" gehört.
die antwort auf deine frage ist, dass ich glaub, ich würd dieselben songs schreiben. bestimmt!

auf deiner homepage hast du eine liste von einflüssen, die aber ausschließlich sehr poppige künstler enthält. hörst du auch anderes? rockiges? experimentelles oder klassik oder so?

auf der homepage sind nur ein paar, die ich über die jahre so gehört hab. ich mag keine experimentelle musik. ich bin eher ein melodietyp. aber ich mag sehr gerne klassische musik. meine frau arbeitet als dirigentin. sie ist eine professionelle klassische musikerin. da krieg ich natürlich viel mit. aber auch in der klassik mag ich die komponisten, die melodiöse musik schreiben wie mozart, satie, bach, haydn und die romantiker wie schubert. es gibt klassische musik, die ich zu hart finde – wie heavy metal. ich mag es nicht so gern, wenn meine frau an solcher musik arbeitet und dazu die cd laut aufdreht. das ängstig mich beinahe, weils so dynamisch ist.
ab und zu gefällt mir auch tanzmusik, wenn sie nen guten beat hat. so was wie "air" oder "daft punk", der französische kram. das sind immer noch melodiebezogene bands. mit techno kann ich nichts anfangen. ich mag musik nicht, wenn sie sich nur selber wiederholt. ich brauch abwechslung, nen neuen akkord.

dein album ist sehr reduziert. wird das auch beim nächsten album so sein oder können wir dann mit einem orchester oder so rechnen?

da mach ich mir vorher keine gedanken drüber. es klingt wie ein klischee, aber ich folge da meinem instinkt des herzens. ich berechne so was nicht.
aber bei den neuen songs sind welche dabei, von denen ich glaube, dass sie gut mit streichern klingen würden. ich hab die songs an den ehemaligen "edson"-gitarristen geschickt. er schreibt mir die streicher-arrangements dazu. die werd ich aufnehmen, wenn ich aus deutschland zurückkomme. auf dem neuen album wird es also streicher geben.

wann wird das neue album kommen?

das weiß ich noch nicht. ich hab fünf oder sechs neue songs geschrieben. hoffentlich innerhalb eines jahres.

(interview: volker kindt / 19.03.06 / astra-stube hamburg)

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