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interview - most serene republic

sie sind die adoptivkinder der arts&crafts-familie. »sie nennen uns die punk kids, aber es ist lieb gemeint«, sagt emma. drei mitglieder sind 23, drei gerade mal 20.

ihren ursprung hat die most serene republic aus dem ort milton in der provinz ontario. vor kurzem kam in deutschland ihr erstes album "underwater cinematographer" raus. doch im band ist die band schon zwei schritte voraus. im treppenhaus des übel & gefährlich sprach steven jörgensen mit gitarristin emma ditchburn und drummer adam nimmo.

wie seid ihr auf arts & crafts gekommen?

adam: ich habe irgendwann eine e-mail an die allgemeine adresse geschickt. so um drei uhr nachts. und schon am nächsten tag schrieb jeffrey zurück und sagte, dass ihm sie songs gefallen und bat mich, ihm eine cd zu senden. sie haben uns dann bei der music week in toronto live gesehen. und danach war es wie bei einer kettenreaktion. und einen monat später haben wir den vertrag unterschrieben.

emma: eigentlich haben sie schon am ersten tag gesagt, dass sie uns rausbringen wollten. es gab nur noch viel papierkram, der alles aufgehalten hat.

adam: bevor ich ihn überhaupt getroffen hatte, habe ich ihn angerufen und er sagte sofort: ich liebe die platte. es war toll, von anfang an so viel unterstützung zu bekommen. es war alles so ein glückstreffer. ich habe einfach eine mail geschickt.

wie ist die atmosphäre bei arts & crafts? wie bei einer familie?

emma: oh ja. und manchmal wie an einer high school.

adam: sie stellen musikalische integrität über das geschäft.

emma: alle sind sehr natürlich und echt.

adam: sie sind wir geschwister oder eltern. und jede band sind deine freunde.

emma: und sie machen es schon viel länger als wir, also kann man viel lernen. es ist, als hätte man einen mentor.

kümmern sich manche bands besonders viel um euch?

adam: stars haben uns wohl am meisten beeinflusst. sie waren als erstes mit uns auf tour. wir wussten nicht so recht, was auf uns zukommen würde. sie haben uns gut betreut. in zehn, elf tagen haben sie uns so viel beigebracht. deswegen ist es so schön, hier in deutschland wieder mit ihnen auf tour zu sein.

emma: wir sind in diesem jahr so viel erwachsener geworden. wir sind eigentlich immer in bewegung gewesen.

spürt ihr zusätzlichen druck, weil ihr die erste band auf dem label seid, die nicht aus dem engen kreis von arts & crafts kommt?

emma: ich glaub, am anfang haben wir den druck bemerkt.

adam: gleich zu beginn haben wir all diese interviews mit den großen zeitungen in toronto gehabt und alle haben uns gesagt, wie groß der druck auf uns sein müsste. als erste band, die jemals einen vertrag bei diesem großen label bekommen hat. wir waren darum etwas besonderes. aber dann wurde uns bewusst, dass sie uns unter vertrag genommen haben, weil wir so sind, wie wir sind.

emma: natürlich spüren wir den druck, dass wir bestimmte erwartungen erfüllen wollen. aber wir mussten nicht zu etwas werden, was wir nicht sind.

adam: arts & crafts ist ja kein major label. es ist ein indie label, dass alles, was an major labels gut ist, für sich nutzt und das schlechte weglässt. und es hat noch seine würde. sie sind so klug. jeff hat bei virgin gearbeitet, als er 18 war und er hat so viel über die major label-mentalität gelernt und hat es alles für das indie-label übertragen.

ihr wart vor ein paar monaten als support von broken social scene hier. was hat sich für euch seit diesem letzten auftritt in hamburg verändert?

adam: wir haben unser mini-album „fages“ rausgebracht. das bekommt man nur auf tour oder über unsere webseite. wir waren daheim, haben etwas entspannt. es waren ja nur wenige monate dazwischen. wir haben eine nordamerika-tour gemacht, mit south by southwest.

wie alt ist underwater cinematographer inzwischen?

adam: in kanada kam es auf arts & crafts ende juni 2005 raus. davor war es schon einmal im november 2004 auf einem kleineren label rausgekommen. aufgenommen wurde es aber schon im sommer davor.

wieviele neue songs habt ihr seit dem ersten album aufgenommen? wieviele von der ep spielt ihr live?

emma: wir spielen fast alle songs von der ep.

adam: es ist eine ep mit acht songs. dann gibt es noch einen weiteren auf einer split-single. und einen auf der japan-version des albums.

emma: wir haben also neun neue songs.

adam: und davon spielen wir meist vier live. als headliner spielen sechs.

gehen die in eine neue richtung als das erste album?

adam: ja sehr. es gibt eine höhere anzahl verschiedener takte. es sind viel kompliziertere songs.

emma: mehr energie. schneller.

adam: und wenn man sich die platte anhört, kommt es der live-show viel näher als „underwater cinematographer“. die großen gesten des albums wurden unserer live-show nicht gerecht, weil es ein sehr stark durchproduziertes album war. fages ist so, wie wir live sind.

hat es die lieder verändert, dass ihr sie viel live gespielt habt?

emma: wir hatten die lieder auf fages schon viel live gespielt, bevor wir sie aufgenommen haben. deshalb kommen sie der live-show sehr nahe. bei den songs auf underwater war es so, dass wir sie aufgenommen haben und dann erst noch einmal wieder lernen mussten, wie man sie spielt. denn es gab so viele ebenen und so viel details. jetzt haben wir die lieder für die live-show geschrieben.

adam: wir haben vielleicht noch kleinigkeiten verändert, aber nicht mehr viel.

die lieder sind sehr komplex. wie setzt ihr sie live um?

emma: bei underwater mussten wir sie etwas straffen, weil es durch die produktion natürlich gitarren-teile gibt, die man nicht nachspielen kann. aber sonst ist es ziemlich gleich.

adam: wir haben das album so geschrieben, dass man es noch live spielen. das schwerste an underwater ist, dass es zu viele instrumente und so viele leute gibt.

emma: so viele gitarren-teile sind übereinander gelegt. deshalb haben wir jetzt noch einen neuen gitarristen dazugeholt. wir treten jetzt mit drei gitarren auf. er heißt sean woolven.

adam: er ist schon länger ein teil der band. er hat auf ein paar tracks von underwater schlagzeug gespielt. ich habe bei sechs lieder getrommelt.

wenn ihr songs schreibt, beginnt dann alles mit ryan lenssen? oder ist die ganze band involviert?

adam: es hat sich mehr dazu entwickelt, dass die ganze band einen teil dazu beiträgt. es beginnt mit einer generellen idee, aber die struktur und so weiter wird von allen gemacht. underwater begann komplett mit einer idee von ryan. er hat auch das album produziert. er hatte viel mehr zeit, um an diesem album zu arbeiten als bei fages. bei fages brachten alle etwas ein. es war ein großartiges gruppenerlebnis. sechs menschen schreiben einen song, alle in einem keller.

emma: ryan brachte die akkordfolge und dann haben wir gejammt, bis wir etwas fanden.

adam: wir hatten nur neun songs und wollte nicht so viele lieder vom ersten album live spielen. deshalb haben wir sehr schnell, sehr viel geschrieben.

emma: es gab auf jeden fall zeitdruck. aber das hatte positive auswirkungen. für die aufnahmen des mini-albums haben wir nur eine woche gebraucht. sie waren fertig geschrieben.

wo probt ihr und nehmt auf?

adam: in ryans keller. dort wurde auch underwater aufgenommen. und mit der ausrüstung haben wir fages in seinem landhaus aufgenommen. und das neue album wird wohl auch dort aufgenommen. es ist eine angenehme, gemütliche atmosphäre. alle kennen sie, alle haben ein warmes gefühl. und es hat eine gute akustik.

emma: und fages klingt nicht so, als wäre es in einem landhaus mit schaufeln an den wänden aufgenommen worden. es klingt viel professioneller als underwater.

adam: und tücher die herumhingen und soundproofing darstellen sollten. keine klimaanlage, keine luftbewegung. nur reiner schweiss.

emma: das landhaus ist in einem national-park.

adam: etwa zwei stunden nördlich von toronto in der cottage country. milton ist 40 minuten westlich von toronto. cottage country ist sehr schön, weil es so ruhig ist. man ist komplett vom rest der welt abgeschnitten. und am letzten tag sagte ich, dass ich noch nie das nordlicht gesehen haben. und genau in dieser nacht war es da. wenn wir noch in ryans keller aufgenommen hätten, hätten wir das nicht gesehen.

die texte schreibt alle adrian?

emma: ja, wir überlassen ihm eigentlich alles. wir vertrauen seiner kreativen verrücktheit.

adam: da geht irgendetwas in seinem kopf vor sich. und darauf verlassen wir uns.

emma: er erklärt sie uns eigentlich nie, aber ich habe mich langsam in sie eingelesen und habe mein eigenes verständnis von ihnen. seine texte fließen einfach aus ihm heraus. es hat wohl viel mit dem unterbewussten zu tun. aber jeder wird seine eigene bedeutung herauslesen.

adam: sie machen nicht immer sinn. aber er hat eine formel im kopf.

emma: ich hoffe, dass ich mehr input bei den texten des nächsten albums habe, weil ich mehr singen möchte. beim ersten album war da noch nicht dabei, also konnte ich nicht eingreifen.

schreibt er die texte während ihr probt?

adam: er entwickelt vielleicht ideen. aber die meisten texte entstehen bei den proben. wir haben eine grundstruktur und er sucht eine melodie.

emma: bei fages hat er sich sehr angestrengt, besonders aufwändige melodien zu schreiben. da hatten er und ryan einen kleinen wettstreit.

betrachtet ihr euch als musiker, die mit konventionen brechen wollen oder möchtet ihr neues erfinden? anarchie oder eine besondere form von kreativität?

adam: es ist kontrollierte anarchie.

emma: falls du fragst, ob wir bewusst anders sein wollen, dann ja.

adam: wir wollen nie ein lied schreiben, das wie ein anderes klingt. wir wollen etwas dummes schreiben. manche mögen das als beleidigung sehen, aber ich meine, dass es etwas lächerliches ist, das eigentlich keinen sinn ergibt, aber dann gibt es doch einen sinn. wir wollen die zuhörer verblüffen und auf dem falschen fuß erwischen.

emma: der song, den wir auf die split-seven-inch getan haben, hatten wir eigentlich schon fertig aufgenommen. aber dann hat ryan, die spuren noch einmal durcheinander gebracht und hat verschiedene stücke zusammengesetzt. das ist verrückt, ich weiß nicht, wie er das gemacht hat. die intro-gitarre war irgendwo in der mitte.

gibt es eine politische dimension in eurer musik?

emma: indirekt schon. politik sagt viel über das soziale leben aus. und ein großteil unserer kreativität kommt von frustration darüber, wie die welt aussieht. man kann zwar nicht etwas aus unseren texten herauslesen.

adam: ich kann meine frustrationen am schlagzeug rauslassen, aber nicht wirklich eine botschaft rüberbringen. aber die frustration ist da. wir sprechen darüber und sind wütend.

interview: steven joergensen / 13.04.06 / uebel & gefährlich hamburg

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