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interview - we are scientists

bei we are scientists liegen realität und fiktion stets nah beieinander. schon ihr bandname ist ja ein widerspruch in sich. sitzt man den drei kerlen aus new york dann in der sitzecke ihres bandbusses gegenüber, scheitert meist der versuch die wenigen worte wahrheit aus ihren antworten herauszusortieren. gitarrist chris cain und sänger keith murray verbarrikadieren sich gerne in einer humorösen scheinwelt, drummer michael tapper kommt zumindest gelegentlich in die realität.

das vertreibt 20 minuten zwar wie im fluge, doch der informative gehalt des interviews für die allgemeinheit verfliegt in der albernheit. so wird dieses gespräch zur belustigung dokumentiert und immer wieder mit wahrheit angereichert.

habt ihr eine erklärung, warum england besser auf eure musik anspricht als eure heimat usa?

keith: sie konnten nur früher darauf anspringen, weil wir dort unser album sechs monate früher rausgebracht haben. sie hatten mehr zeit, es zu verdauen. wir haben außerdem mehr singles rausbringen können. hoffentlich hat das ganze nichts mit dem geschmack zu tun, sondern nur mit der verdauung.

michael: in england gibt es einen markt für singles. man bringt zwei, drei singles raus, bevor das album kommt. in den usa ist es andersherum. da kann man keine singles rausbringen, wenn man noch kein album veröffentlicht hat. und eine andere art der rock musik als unsere ist in den usa mehr der mainstream. viel emo und so. ansonsten gibt es hauptsächlich hip hop und rnb.

wie wichtig ist es für euch, die usa mit eurer musik zu erobern?

chris: inzwischen ist uns das total egal. nun da wir deutschland vollkommen in unserer hand haben. was kümmern uns da noch die usa? jetzt geht es nur noch darum, george bush eins auszuwischen.

keith: es wäre einfach schon, bush einen reinzuwürgen.
eevolver club: dann solltet ihr mit euree musik in den irak gehen.

chris: das ist wahr. wir sollten die irakis auf unsere seite bringen.

(we are scientists wurden 2000 in kalifornien gegründet. 2001 flüchteten sie nach new york, wo sie in einem haus von verwandten unterkamen. danach tourten sie wie verrückt und brachten zwei weitgehend unbeachtete und nach eigener aussage eher stümperhafte alben raus. entdeckt wurden sie schließlich beim south-by-southwest-festival in texas vom englischen radio-dj steve lamacq. der spielte ihre lieder erst rauf dann runter und schon bald hatten sie einen plattenvertrag mit virgin sicher. während england sich teilweise überschlägt, ist in den usa noch nicht soviel begeisterung aufgekommen)

wie wurdet ihr umworben, bevor ihr einen plattenvertrag unterschrieben habt?

chris: autos wurden uns fast jeden tag per post geschickt. viel gratis-kaffee. einmal etwas frucht-brotaufstrich. aber den gabe es erst, nachdem wir unter vertrag standen.

keith: mehrmals sind wir zum essen eingeladen worden. ein dutzend freigetränke.

chris: das wars auch schon. wir bekamen mehr, nachdem wir unterschrieben hatten.

fühlt ihr euch als zugereiste von der new yorker szene akzeptiert?

chris: wir denken, dass es jetzt unsere szene ist.

michael: wir kamen 2001 nach new york. zur gleichen zeit brachten die strokes ihr erstes album raus.

keith: zufall? nein.

michael: die szene hat mit uns überhaupt erst angefangen.

chris: sie können uns nicht mehr nur akzeptieren. uns gehört die szene.

(eigentlich betonen sie sonst gerne, dass sie nicht zu der szene gehören. denn sie hätten zu lange der obskurität von kaliformien gespielt. doch etwas einfluss gab es dann doch: laut keith waren sie früher waren eine punk band, die sich dann den tanzbaren beats von the rapture und den liars hingab.)

habt ihr als band einen bestimmten modestil? oder seid ihr ein buntes gemisch?

chris: wir passen gut zusammen, weil unsere sachen ähnlich runtergekommen sind. wir waschen alle unsere sachen einmal pro jahreszeit. deshalb sehen wir aus, als wären wir in einer art uniform. tatsächlich ist es nur das resultat der »zweimal-duschen-pro-woche, trage die selben klamotten für 20 tage am stück«-taktik.

keith: als wir losfuhren, war dies heißes pink (zeigt auf seine dunkelbraune jacke).

chris: dies (zeigt auf michaels dunkelblaue jacke) war ein sehr schönes gelb wie ein gänseblümchen, wie eine kornblume. und meine jacke war albino schlangenleder (schwarze lederjacke).

keith, du hast englische literatur studiert. gibt es irgendwelche einflüsse, die daher kommen? der albumtitel »with love and squalor« ist ja von j.d. salinger.

keith: ich habe es mehr aus der distanz studiert. ich glaube eher, dass ziggy-comics unser haupteinfluss sind. nein, im ernst, es gibt nicht wirklich einen literarischen einfluss in unseren songtexten. die texte beginnen meist eher phonetisch. wir verbinden silben und einzelne reime, die schon existieren.


eine textzeile in »nobody moves, nobody gets hurt« lautet ›i‘m probably making this up‹. wieviel an euch ist verstellung und schauspiel?

keith: es ist 100 prozent schauspiel. er (zeigt auf michael) ist eine asiatische frau. und er (zeigt auf chris)... nun er ist wirklich einfach dieser typ. er ist vollkommen authentisch.

chris: durch und durch.

keith: gib mir eine prozentzahl.

chris: 62 prozent.

keith: es ist 62 prozent schauspiel.

chris: genauer gesagt 62,00000. wir arbeiten sehr präzise.

thema: humor und musik. manchmal klappt die verbindung, wie bei ben folds five. und manchmal ist man die barenaked ladies.

keith: mit millionen von dollar auf der bank. aber sie dürfen es nicht anrühren.

chris: ja, ihre eltern haben da ein auge drauf.

habt ihr angst so zu werden?

chris: unsere musik ist nicht witzig. ich glaube nicht, dass wir lustige songs haben.

keith: wir sind lustige typen.

chris: wir sind verdammt umwerfend komische typen.

keith: wenn wir nicht auf der bühne sind, reden wir solchen stuss.

chris: aber unsere musik ist nicht komisch.

keith: das ist der unterschied. barenaked ladies haben witzige songs. aber versuche mal mit ihnen zu sprechen.

chris: als ob man mit dem sensenmann spricht.

michael: und ihre songs sind auch nicht wirklich lustig.

(einer schwangeren katze können die scientists ihr albumcover von »with love and squalor« verdanken. als michael auf den vierpfoter aufpasste, brachte sie kätzchen zur welt, die zwei monate lang den platz unter seinem bett ihr zuhause nannten. mit diesem nachwuchs machte das trio ein paar bilder. als dann der gestalter ihre album-covers absprang und der abgabetermin drohend über der band hing, entschied man sich einfach für die kätzchen-bilder.)

wem gehören die kätzchen auf dem albumcover?

michael: sie gehörten mir.

chris: wir haben sie weggeben, als sie alt genug waren.

keith: ungefähr vor einem jahr. auf wiedersehen, kleine terroristen.

chris: sie waren ein alptraum.

michael: sie haben überall in meinem zimmer hingemacht.

chris: ein privileg, das du nie hattest.

michael: ich habe es mal probiert...

wie hat der ruhm euer leben verändert?

chris: wir sind arroganter als je zuvor.

michael: menschen wollen mir dinge sagen, die ich nicht hören will.

chris: mir wird gesagt, was ich besser machen könnte. warum sollte mir das wichtig sein?

keith: wer seid ihr schon, dass ihr mir etwas sagen könnt. ich bin ein star.

chris: kann ich bitte erst deine presseausschnitte sein, bevor du mir etwas sagst.

keith: ruhm bringt uns geld und macht, über die nur wir verfügen.

chris: außerdem hilft uns der ruhm bei mordverhandlungen vor gericht. obwohl alles gegen uns sprach, kamen wir frei.

wie snoop dogg. und was ist mit frauen...

chris: frauen und kinder zuerst. erst bekommst du die frauen, dann die kinder. dann ruhen wir uns aus und trinken jahrzehntelang alkohol. wenn erst mal die kinder herumlaufen, dann ist die zeit, um sich richtig dem alkohol hinzugeben.

vor einigen wochen lief im abspann der fußball-tv-sendung sportschau »nobody moves, nobody gets hurt«. (lachen und jubilieren bei den scientists) wie steht ihr zu fußball?

keith: wir nennen seit kurzem drei fußball-mannschaften unser eigen.

chris: sie sind wenigstens profitabel. wir respektieren fußball.

keith: uns gehören die freiburg hawks...

chris: die clemond-ferrand jazz squad. und die brummy

keith: bunnies.

chris: eigentlich bunnyhawks. wir nennen sie nur bunnies, weil es kürzer ist. yeah, uns ist fußball wichtig. denn wir haben halt ein geheimes interesse.

keith: unser haus in malibu hängt von den brummy bunnies ab. die gewinnen dieses jahr den titel.

auf eurer website ist viel unsinn wie das hier gerade.

chris (lacht): wie kannst du es wagen?

wer schreibt euer material?

chris: kleines geheimnis: j.d. salinger. er betreibt die website. er muß mindestens einmal pro woche ein update machen. er macht mehr als wir. eigentlich kann man auch nicht weniger machen. er steht nicht mehr so in der öffentlichkeit, will aber noch beachtet werden. und unsere website gibt ihm diese möglichkeit.

wer schreibt eure songs?

chris: j.d. salinger.

außer ihm? die songs, die nicht j.d. salinger feat. we are scientists sind.

keith: wieviel müßte man bezahlen, um einen song unter dem titel rausbringen zu können?

chris: ja, wir schreiben unsere eigene musik hier bei we are scientists. meist ist es keith, der schreibt. das nächste album ist schon auf gutem wege.

(sänger keith hat einfache pop-songs im geist, die von drummer michael einen schrägen dreh im arrangement bekommen. produziert wurde "with love and squalor" von ariel rechtsheid, dem sänger von foreign born.)

drei typen, new york. da fallen einem die beastie boys ein. die haben viel anderes neben der musik gemacht. etwas für euch?

michael: und dann machen wir ein label auf, das pleite geht?

chris: bankrottes label, ein magazin, das eingeht. man kann es so sagen: wir wollen die erfolgreichen beastie boys sein. wir wollen alles so wie sie machen, bis auf das scheitern. wir bewundern jede einzelheit ihrer karriere bis auf die tatsache, dass sie den bach runtergingen. das wollen wir vermeiden. aber sonst schauen wir uns einiges von ihnen ab.

(interview: stj / 19.11.06 / uebel & gefährlich)

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