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interview - conor oberst

im januar 2005 kommen "i'm wide awake, it's morning" und "digital ash in a digital urn" raus, zwei neue alben von connor oberst und seiner band bright eyes. vor kurzem sind die singles "lua" und "take it easy (love nothing)" weltweit erschienen - und in amerika prompt in die single-top-ten eingestiegen. der geheimtipp von einst, speist jetzt mit beck und michael stipe. was ist denn da passiert herr oberst?

fangen wir mit der standardfrage an: warum zwei alben auf einmal?

das folk-album, also "i'm wide awake, it's morning" haben wir im letzten winter aufgenommen. also hätten wir es eigentlich bereits im frühjahr rausbringen können. aber ich hatte diese idee für "digital ash in a digital urn". mike mogis (der saddle creek haus und hof-produzent) und ich hatten extrem viel lust, an diesem album zu arbeiten. also entschieden wir uns dafür, sie gemeinsam rauszubringen. doch wir hatten die befürchtung, dass wir, wenn "i'm wide awake ..." rauskommen würde, in diesem tour/interview-kreislauf gefangen sein würden und keine zeit hätten, das "digital"-album aufzunehmen, an dem wir gerade so intensiv arbeiteten. also sagten wir uns, legen wir die "i'm wide awake ..." zur seite und machen erstmal fertig, woran wir arbeiten wollen und bringen die alben später zusammen raus.

ich dachte ja, dass dir das "i'm wide awake, ..."-album einfach zu nahe an deinen vorherigen sachen war und dass du mit "digital ..." zeigen wolltest, dass du dich als songwriter weiterentwickelt hast.

nein. weißt du, meine lieder sind auf eine gewisse art sehr einfach. deshalb ist es leicht, sie zu verkleiden, wie man will. wir haben bei allen alben versucht, verschiedene stile und instrumente einzubringen. speziell bei "digital ..." wollte ich, dass es sich mehr um rhythmus und beats dreht. etwas wo man mitwippen kann. das war die idee. etwas zu machen, das vom rhythmus getragen wird, im gegensatz zu allen anderen alben, die melodischer sind.

du bist mit "lifted ..." unglaublich bekannt geworden. wie war es die "alben danach" aufzunehmen?

es war trotz allem nicht schwieriger. ich meine, ich weiß was du meinst. die erwartungen der leute und so. aber ich will einfach meine lieder schreiben, sie aufnehmen und sie veröffentlichen. es tut mir nicht besonders gut, zu viel darüber nachzudenken, was danach passiert. ich werfe sie raus, wie ins all, und es passiert was passiert. es ist nicht meins, mich zu sehr darum zu sorgen, was mit ihnen geschieht.

ist musik machen für dich mehr wie ein job, seit du soviel touren und interviews geben musst?

zum teil. musik machen selbst ist immer noch kein job. aber interviews geben, fotos von sich machen lassen schon. ein großer teil des tourens auch. ich meine nicht das spielen selbst. die auftritte sind das, warum du überhaupt musik machst, aber das ganze reisen, das warten, das fühlt sich an wie ein job. aber die musik live zu spielen oder sie aufzunehmen, ist der teil wo die liebe ist.

hast du auch so was wie einen chef? der dir sagt, du musst mehr arbeiten, du musst mehr lieder schreiben, du musst mehr touren?

nein.

irgendwer ist da doch bestimmt ...

natürlich gibt es leute, die mich um bestimmte dinge bitten. zum beispiel meine freunde, die das label machen. sie haben mich zum beispiel gefragt, ob ich diese interview-reise machen kann. außerdem habe ich einen manager. aber der erwartet auch nichts von mir. er hilft mir wo er kann und versucht, mir mein leben zu erleichtern. also habe ich keinen boss. auf keinen fall.

hattest du eigentlich im hinterkopf, dass du berühmt werden willst, als du angefangen hast musik zu machen?

nein, es ist eher ein nebenprodukt davon, dass man möchte, dass die leute die musik hören, die man macht. es ist natürlich toll, nicht noch einen anderen job haben zu müssen, mit dem man geld verdient. das gibt mir einfach mehr zeit, kunst zu produzieren. und das ist das, was ich tun will.

gibt es in deinem leben momente, in denen du denkst: "verdammt, jetzt benehme ich mich aber echt wie ein rockstar"?

nicht so sehr wie ein rockstar. aber manchmal benehme ich mich leuten gegenüber wie ein arschloch.

was ja jeder manchmal macht ...

genau. das ist weniger ein rockstar-ding. manchmal bin ich einfach wütend und werde gemein zu jemandem. und später schäme ich mich deshalb. aber das ist ziemlich normal denke ich.

wie gehst du eigentlich mit diesem wunderkind-kult um deine person um?

ich denke nicht zu viel darüber nach. wie ich schon sagte: ich veröffentliche einfach musik. und deshalb muss ich akzeptieren, was man über mich sagt, egal ob es positiv ist oder negativ. man darf sich davon nicht zu sehr beeinflussen lassen, sonst läuft man gefahr, seinem eigenen mythos zu glauben. man beginnt sich zu sehr darum zu bemühen zu sein, wie andere leute einen sehen. man verliert sich und das darf ich nicht passieren lassen.

aber wie beeinflusst deine berühmtheit dein leben? ich habe gerade ein interview mit michael stipe gelesen und auf die frage wo in amerika momentan interessante musik gemacht wird, sagte er: in omaha um connor oberst herum. außerdem tourst du mit beck. du hast durch deine musik einige wirklich einflussreiche musiker beeindruckt. wie beeinflusst dich das?

ach, michael ist mein freund. er wollte nur nett sein. es ist natürlich toll und cool und aufregend und eine große erfahrung für mich, all diese musiker kennen lernen zu können. aber andererseits ist es natürlich auch anstrengend, wenn auf einmal menschen über dich reden und es hat nichts mehr mit deiner musik zu tun. das nervt. aber das ist eben das, was passiert, wenn man berühmt ist.

vielleicht ist es speziell bei dir aber auch ein nebenprodukt davon, was du in deinen texten erzählst. ich bin mir nie sicher, ob die dinge von denen du erzählst, sachen sind die du wirklich erlebt hast oder ob sie ein poetisches bild sind. ich denke, das sorgt dafür, dass die leute sich auch auf diese art mit deiner person auseinandersetzen.

das stimmt.

vielleicht können wir an dieser stelle ein wenig aufräumen mit dem mythos connor oberst. in dem song "we are nowhere and it's now" auf dem "i'm wide awake ..."-album sagst du, du hättest "no plans and too much time". ich kann mir das einfach nicht vorstellen. du scheinst doch immer was zu machen. touren, songs schreiben, ... bist du das in dem text oder war das nur so ein gefühl, dass du einfangen wolltest?

es ist mehr als ein gefühl. ich meine, ich fühle mich tatsächlich manchmal so. ich bin auf eine gewisse art rastlos und wenn ich toure oder an etwas arbeite, denke ich oft: gott, ich kann gar nicht abwarten bis das hier vorbei ist, damit ich nach hause gehen und gar nichts tun kann. und dann komme ich nach hause und das geht auch so drei, vier tage gut. dann denke ich: verdammt noch mal, ich muss irgendwas machen. es fällt mir schwer, nichts zu tun. und ich denke, diese zeile kommt aus den wenigen malen, in denen ich mehr als einen monat pause hatte. und weil ich keinen richtigen job habe, kann es sehr leicht passieren, dass ich mich in einen hemmungslosen trinker verwandle und ansonsten nichts weiter mache.

womit wir bei meiner nächsten frage wären: in "hit the switch" auf der "digital ash ..." singst du meiner meinung nach das erste mal über die physischen konsequenzen deines alkoholkonsums: magenschmerzen, seitenstechen, ... wenn dir das jetzt zu persönlich wird, sag einfach stopp und wir überspringen das. aber ich denke wenn du darüber singst, geht das klar. was bedeutet alkohol für dich?

das ist eine schwierige frage. die meisten menschen stehen morgens auf und gehen zur arbeit oder zur schule oder sie haben eine familie. ich denke das trinken ist für sie leichter vermeidbar. sie haben einfach nicht soviel zeit übrig. natürlich trinkt ein haufen leute trotzdem, aus welchen gründen auch immer. aber wenn du musiker auf tour bist, gehört es praktisch zum job. ich kann mir nicht vorstellen, aufzutreten, ohne vorher ein paar drinks zu nehmen. ich habe auf jeden fall physische probleme dadurch. aber ich versuche, das auszugleichen. wenn ich nicht toure, versuche ich, nicht zu trinken, besser zu essen und mehr zu schlafen.

also bist du kein alkoholiker?

nein. das heißt: ich denke ich trinke zuviel. und ich kann sicher nicht die nächsten zwanzig jahre so weiter machen, aber das plane ich auch nicht. wie heißt es so schön in dem uncle tupole song: "not forever, just for now."

der durchschnittliche bright-eyes-hörer wird sich einen tag in deinem leben ungefähr so vorstellen: nachmittags um drei aufwachen, in einem abgedunkelten raum, erstmal einen drink, dann die gitarre nehmen und den rest des tages nichts tun als musik machen und grübeln. wie ist es wirklich? ich weiß, das ist total bescheuert, aber ich habe mir das auch immer so vorgestellt.

es gibt auf jeden fall tage, die ich so verbringe. aber es kommt drauf an. mein leben verläuft in zyklen. es gibt tage, da stehe ich morgens um acht auf und habe eine liste mit sachen, die zu erledigen sind. jemanden anrufen, eine email schreiben, ins kino oder ins museum gehen, eben das was man so tut. und dann gibt es diese tage, wo ich mich nicht danach fühle, irgendetwas zu tun, außer den ganzen tag zu schlafen und nachts auszugehen. aber das kommt und geht.

das klingt ja ziemlich nach einem ganz normalen 24-jährigen.

ja.

ich habe ein paar commander-venus-stücke gehört, da hast du gesungen und das war noch vor deinem stimmbruch. ich habe mich da gefragt, ob du in der schule eher der outsider mit der gitarre warst, oder der begabte junge der seiner lehrerin immer vorspielen und vorsingen musste?

eher ersteres. die meisten auf der highschool hatten keine ahnung, dass ich überhaupt musik mache. ich mochte die highschool nicht besonders. ich bin zwar hingegangen, aber die freunde mit denen ich meine freizeit verbracht habe, waren alle älter als ich. ich bin also nie zu irgendwelchen high-school-partys gegangen und alle freundinnen die ich hatte, gingen schon ins college.

du wurdest also nie gefragt, ob du mal auf einer high-school-party auftreten willst?

mit commander venus haben wir mal auf einem tanz-abend gespielt, alle mädchen auf der high school waren total geschockt. ein desaster.

du machst jetzt seit mehr als zehn jahren musik. hast du nicht manchmal angst, dass alles gesagt ist und dass du anfängst dich zu wiederholen?

manchmal schon. dann habe ich angst, dass ich faul werde und mich nicht genug anstrenge, etwas besseres oder anderes zu machen. nein, sagen wir nicht besser, sagen wir einfach anders. ja. ich habe auf jeden fall darüber nachgedacht. aber ich denke, es wird immer einen neuen song geben. und wenn man es genau nimmt, sind alle songs in etwa dasselbe. songs zu schreiben, bedeutet für mich, herauszufinden, was es heißt, ein mensch zu sein und ich denke, das werde ich nicht so schnell herausfinden. trotzdem ist der gedanke, dass einem irgendwann nichts neues mehr einfällt, manchmal beängstigend.

tom waits hat mal gesagt, dass die finger dazu neigen, das zu spielen, was sie ohnehin schon können. deshalb hat er bei seinem letzten album beschlossen kein piano zu benutzen. hast du jemals darüber nachgedacht, ein album ohne gitarre zu machen?

auf jeden fall. auf dem "digital ..."-album spiele ich nur ganz selten gitarre. ich meine, es sind ziemlich viele gitarren drauf, aber ich denke, es ist eine gute idee, sich zu limitieren. das kann die dinge interessanter machen. wenn man sagt: ich mache nicht das, was ich normalerweise tue, kann das ein nützliches werkzeug sein. ein album komplett ohne gitarren, das wäre schon interessant.

ich versuche mir immer vorzustellen, wie es ist, als saddle-creek-musiker in omaha zu leben. seid ihr alle freunde und verbringt auch privat viel zeit miteinander oder ist es mehr: ich habe einen anderen freundeskreis und wenn mich connor anruft, geht es natürlich auch um spaß aber auf jeden fall um geld.

nein, wir sind tatsächlich echte freunde. zuallererst und vor allem geht es um freundschaft, liebe und musik. klar. manchmal reden wir über geld, aber nur, wenn entscheidungen getroffen werden müssen. das einzige, was sich in den letzten jahren daran geändert hat, ist, dass der kreis von freunden und musikern viel größer geworden ist. weil wir ständig neue leute treffen, die dann teil der ganzen sache werden. aber meine engsten freunde, die von anfang an dabei sind, sind noch immer wie brüder für mich. leider sehen wir uns in letzter zeit nicht sehr häufig, was wirklich nervt. aber unsere terminkalender sind total überfüllt und ich habe zwar immer noch ein haus in omaha, aber die meiste zeit verbringe ich in meinem apartment in new york. deshalb ist es schwer, sich zu treffen. aber wir kriegen das immer irgendwie hin. im dezember sehe ich sie alle wieder. zu weihnachten kommen alle nach hause. da wird es bestimmt viel zu lachen geben.

noch eine letzte, total beknackte frage: kommt die idee für den bandnamen tatsächlich von dem simon-&-garfunkel-song?

ich mag simon & garfunkel und ich mag den film "watership down" für den sie den song geschrieben haben. aber eigentlich ist diese wendung ein kosename für jemanden, den man mag. ich hatte ihn in einigen meiner lieder und brauchte einen namen für die neue band, denn ich wollte sie nicht "connor oberst" nennen. und da dachte ich: dieser name ist so schlecht wie jeder andere. bandnamen sind ja in der regel unglaublich dämlich. also habe ich einfach diesen genommen und: go for it!

(interview: ben maack)

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