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interview - superpunk

die "einmal superpunk, bitte"-tour ist bereits in der zweiten halbzeit angelangt. kurz vor dem auftakt mit zwei konzerten im hohen norden hatte ich nochmal gelegenheit, mit carsten friedrichs im saal II über das gerade erst erschienene dritte album zu sprechen. natürlich ging es nicht immer nur um die eigene musik, sondern auch um linkin park und serge gainsbourg. bevor die jungs zum abschluss für ihr heimspiel wieder an die elbe zurückkehren, eine kleine einstimmung auf das anstehende konzert im knust.

euer album wirkt anfangs sehr positiv, wird im verlauf textlich immer dunkler.

carsten friedrichs: das steht im auge des betrachters. es haben auch schon ganz viele leute gesagt, dass es eine richtig positive platte sei und wieder andere, dass sie vollkommen negativ sei. ich weiß es inzwischen selbst nicht mehr, ob sie nun positiv oder negativ ist.

die idee zum "ich weigere mich, aufzugeben"-video ist jedoch ziemlich lustig.

cf: na, eigentlich wollten wir ein video machen von einem konzert, das nicht gut läuft, keine leute kommen und man auch noch scheiße behandelt wird. ich hatte soviele live videos gesehen von bands, die vor diesem total tobenden publikum spielen. das finden wir so ätzend, wenn die leute sich so geil finden. da dachten wir uns, wir machen einfach mal genau das gegenteil. wir haben dann henner, der das video gedreht hat, die idee erzählt. er hat das dann noch ein wenig weitergesponnen.

das ganze also ein statement gegen performance videos?

cf: also gegen performance videos habe ich ja gar nichts. aber wenn das publikum so abgeht, irgendwelche scharfen schnitten in der ersten reihe stehen und sich die band vor dem auftritt abklatscht, wie linkin park und solche bands, dann ist das echt scheiße.

insgesamt erscheinen die songs dieses mal persönlicher als auf den beiden vorherigen alben.

cf: ja, das kann sein. die songs haben sich so angesammelt in den letzten drei jahren. aber da war kein großer plan, dass sie in irgendeine richtung gehen sollten. wenn ich in einem englischen stück eine zeile gehört habe, die mich inspiriert hat, dann habe ich das übernommen und zusammengebastelt.

die songs entstehen also ein wenig nach dem baukastensystem?

cf: es sind oftmals zeilen oder sätze, die ich irgendwo aufschnappe, in einem buch etwa, und dann daraus etwas bastel. dieses prinzip bleibt dasselbe, wie eine collage. ich habe einen refrain ein halbes jahr liegen, zu dem mir nichts einfällt. dann klaue ich einfach was und das funktioniert dann. die letzte platte ist dementsprechend auch vom sound her skizzenhaft geblieben, weil wir damals weder die zeit noch das know-how hatten. jetzt ist alles ein wenig ausgefeilter, da man mehr sachen hat ausprobieren können.

es geht mehr als zuvor um beziehungsprobleme in deinen songs.

cf: das ist interessant, weil oft behauptet wird, dass auf der neuen platte gar keine liebe vorkommt. dabei sieht man das doch schon ein bisschen an den songtiteln. so ist ja zum beispiel "ich weigere mich, aufzugeben" auch auf einer persönlichen ebene anzuwenden. aber daneben ist es nicht so, dass sich jeder text auf mich persönlich bezieht. bei "bitte verlass mich" kam die inspiration von einem serge gainsbourg song. ich habe dann versucht, einfach auch mal so etwas fieses zu machen. ich bin halt großer serge gainsbourg fan und die erste zeile ist aus einem seiner stücke. also ich hatte noch keine freundin, die sich meinetwegen umbringen wollte. das mädchen beim herrenfriseur kommt übrigens auch aus dem gainsbourg song "chez max coiffeur des hommes". den titel fand ich geil und so bin ich dazu gekommen.

manche textpassagen setzen sich recht kritisch mit hamburg auseinander.

cf: naja, vielleicht bin ich hamburg gegenüber kritischer geworden. da gibt es schon so eine provinzialität und enge, so eine gehäßigkeit, die einfach nervt. das kommt in einem stück wie "raus aus dieser stadt" auch zum ausdruck. eine antwort habe ich aber auch nicht. der fluchtinstinkt ist schon mal da, aber der ist nicht stark genug. ich lebe hier ein leben lang und war auch noch nie weg. vielleicht ist das auch eine persönliche sache, was mich hier so nervt. die leute, die hier her ziehen, empfinden das bestimmt ganz anders. auf der flucht muss man andererseits so ein außenseiterleben führen. das ist ja auch total anstrengend und mit anstrengungen habe ich es nicht so.

politisch haben sich die wogen nach der wahl und schills verschwinden ein wenig geglättet.

cf: das ist hier doch vollkommen egal, ob da nun schill oder irgendein sozi an der macht ist. ist doch alles das selbe. den brechmitteleinsatz haben die spd und die gal eingeführt, das hat nicht schill gemacht. der hat sich durch seine tollpatschige und tumbe art nur selbst disqualifiziert. das ist mir lieber, wenn das einer macht, der schon durch sein gebaren und seine schmutzige politik auffällt, als so ein kalter sozi hinter seiner menschlichen maske. aber politik ist ein so diffiziles thema. das kann ich auch nicht in einen drei minuten song packen. das würde mir dann zu plump geraten. eine parolenbellerei ist mir zu wenig. es sieht ja sowieso jeder, dass es scheiße läuft. wenn das niemand peilt, dann tut es mir leid, aber dann wird auch ein song daran nicht viel ändern.

wird bei der breit gestreuten promotion von lado auch auf die verkaufszahlen geschielt?

cf: also wir haben jetzt die platte nicht aufgenommen, weil wir dachten, mit solchem sound räumt man unheimlich ab. das ist schon gut, dass wir bei lado sind und unsere musik so machen können, wie wir das wollen. klar hätten wir das album auch marktgerechter produzieren können, aber wir wollten bewußt eine oldieplatte machen, die wir geil finden. uns war bewußt, dass wir damit kein chartsthema sind. wenn das dann erfolgreich sind, umso besser. da weigern wir uns auch nicht, solche positiven effekte mitzunehmen.

dabei war deutsche rockmusik selten so erfolgreich wie zur zeit.

cf: keine ahnung, ob wir davon profitieren werden. das wird sich zeigen, obwohl ich glaube, unsere musik ist verglichen mit dem, was ansonsten läuft, zu sehr neben der kappe. das ist dann einfach noch zu kantig, zu oldiemäßig oder zu schlecht gesungen. obwohl nach den sportfreunden stiller ist ja eh alles egal.

tomte oder auch kettcar konnten aber zuletzt ganz heftig punkten.

cf: ich habe einen der jungs neulich bei einem konzert mal kennengelernt. das war auch sehr nett, aber ich kenne mich mit deren musik gar nicht aus, da ich fast nur alte musik höre. was ich gehört habe war mir aber ein wenig zu rockmäßig und nicht ganz mein geschmack. aber es ist auch geil, wenn eine band wie tomte so viel aufmerksamkeit bekommt. das ist dann schon ein ganz gutes zeichen.

thees uhlmann hat sich auch durch seine veröffentlichungen oftmals selbst ins gespräch gebracht. wäre das für dich eine möglichkeit?

cf: nö, ich habe zu wenig phantasie. außerdem bin ich legastheniker.

viel spass auf der tour und vielen dank.

(interview: carsten scheef / 07.05.04 / saal II hamburg)

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