interview - bluetones

und schon wieder hab ich das glück mit einem höchst sympathischen herrn ein interview zu führen: mark morriss, sänger der bluetones. um dem lärm eines weiteren soundchecks zu entgehen, ziehen wir uns zu diesem zweck in den tourbus der band zurück. sehr bequem, geräumig und luxuriös das ganze! nach einer kurzen erklärung, dass rauchen zumindest weniger schädlich für die stimme sei als trinken, weswegen morriss sich das trinken auf tour abgewöhnt hat, bastelt er sich noch etwas zu rauchen zusammen, um dann interessiert meinen fragen zu antworten. seid ihr eigentlich das erste mal in deutschland? nein, das ist der vierte oder fünfte besuch. 1996 sind wir das erste mal hergekommen. aber es ist nun ne weile her, dass wir das letzte mal hier waren: vor vier jahren oder so. ihr wart eine der bands der stunde, als ´94/´95 brit pop begann. was denkst du heute über die zeit und das brit pop phänomen? wir wollten nie irgendeiner szene zugeordnet werden. wir sind einfach
eine gitarrenband, die popsongs mit gitarren spielt. die tatsache, dass
wir in england geboren wurden und begannen, zu dieser zeit platten herauszubringen,
zwängte uns in eine szene, zu der wir nicht gehören wollten.
uns wurde ein stempel aufgedrückt, der mehr ein hindernis war als
alles andere. es verschließt die leute für das, wie du klingst
oder was du ausdrücken möchtest. sie glauben zu wissen, wie
deine platten klingen, bevor sie sie gehört haben. "oh it´s
brit pop… " also auf der einen seite schon glück wegen des plötztlichen erfolges und auf der anderen seite… ich habe nie gedacht, dass wir eine große hitsingle oder ein
nummer eins album haben würden. ich sah uns immer mehr als eine
art kultband. so hatte ich es mir am anfang gedacht. ich fühlte
mich nicht gut dabei, erkannt zu werden oder so. kennt ihr andere bands aus der zeit? nicht wirklich! es ist kein sozialer club, wo man sich trifft und übereinander redet…aber zu der zeit 1995 haben wir eine tour mit supergrass gemacht. wir waren auf einer ähnlichen stufe in unseren karrieren. es lief ziemlich parallel. erst hatten sie eine hitsingle und ein nummer eins album, wir dann neun monate später. es gab da eine gewisse verbindung zwischen den bands, weil wir diese erfahrungen, die wir das erste mal machten, teilten. ein freund hat mir erzählt, dass er euch damals in einem kleinen laden in england gesehen hat. er war dann mit backstage und auf einmal tauchten die gallagher brüder auf… ich erinner mich daran. das ist einmal passiert. ihr habt also keinen kontakt? nein, absolut nicht. ich habe liam gallagher letzte woche gesehen. meine freundin macht eine fernsehshow in gb. liam gallaghers freundin war da in der show. sie spielt ja bei dieser furchtbaren band all saints. vorher hab ich jahre nicht mit ihm gesprochen. Ich geh dann auch nicht zu ihm hin und sag: "hey kumpel.." oder so. ich hab nicht das gefühl, dass wir uns kennen. ist es nicht manchmal frustrierend, dass viele gitarrenbands aus der zeit so erfolgreich geworden sind wie blur und oasis? ich habe nie auf den erfolg anderer geschaut in dem sinne, dass das, was ich mache, ein misserfolg wäre. ich meinte in dem sinne, dass diese bands mit teilweise deutlich schlechteren alben als eure so erfolgreich waren. empfindest du das nicht als unfair? so ist das leben! ich habe gelernt mit der tatsache zu leben, dass
meine musik nicht wirklich gewürdigt wird, bis ich tot bin. ich
tröste mich mit diesem wissen. (lacht) gibt es ein geheimnis, wie ihr so lange zusammen bleiben konntet? das liegt wohl daran, dass wir alle sehr entspannt sind. da ist kein besonderes temperament oder ein provokateur. wenn überhaupt, dann ich, aber auch ich bin absolut nicht so! wir haben schon sehr viel zeit miteinander verbracht bevor wir erfolg hatten. es gibt kein rezept. es ist einfach glück. könnt ihr von der musik leben? ja! das ist alles, was ich wollte! wir leben in einer zeit, wo es wichtiger
scheint, irgendwie berühmt zu sein, als etwas von bedeutung zu
schaffen. berühmt sein, um berühmt zu sein. wir wollen nicht
unbedingt berühmt sein. wir wollen einfach unseren lifestyle leben.
wir machen das nun schon so lange. es wäre schwer für uns,
uns nun neu zu orientieren. es läuft ja nicht erst für ein/zwei
jahre gut, es ist schon eine karriere. unsere ambition ist gute alben
zu machen, die uns vielleicht erlauben, noch eins zu machen. wir wollen
bescheiden bleiben. euer letztes album ist schon über drei jahre alt. es gab schon gerüchte, dass ihr euch aufgelöst habt, weil "luxembourg" nicht so erfolgreich war. was war wirklich los? wir haben uns nicht aufgelöst. aber wir mussten eine pause machen.
das geld wurde knapp. um unseren lebensstil aufrecht zu erhalten, mussten
wir jobs annehmen. das war vor zwei jahren. wir hatten eine pause von
6 bis neun monaten. dann kamen wir wieder zusammen und haben ein paar
kleine konzerte in gb gespielt. es lief gut. wir fühlten, dass
wir wieder wir vier waren mit der gleichen vorstellung davon, musik
zu machen. was ich nicht verstehen kann… du hast keine kontrolle über die kräfte des marktes! du musst geld für die promotion einer platte investieren. wir sind keine business menschen und haben das nicht so ernst genommen. das führte dazu, dass die leute nichts von dem album wussten. wir haben da wirklich was gelernt! das große verlorene album! wie kam es zu der erneuten zusammenarbeit mit hugh jones? war das geplant oder zufall? es war gewissermaßen geplant. wir haben da schon eine weile drüber
gesprochen. es schien die richtige zeit dafür zu sein. wenn wir
ehrlich sind: alles, was wir von aufnahmen im studio wissen, wissen
wir von hugh jones. er arbeitete mit uns seit den ersten tagen. er war
so was wie unser lehrer. ich finde, dass das neue album gerade so klingt wie die ersten zwei und nicht wie die letzten zwei alben… es ist vom feeling her eher wie "science + nature", denk ich. es hat die gleiche wärme. ok, ich hätte sonst gefragt, ob es sein einfluss ist, dass das neue album so klingt wie die alten… das wird er sicher sein. manchmal glaub ich, ich bin der falsche, um viele dinge zu beantworten, weil wir zu nah dran sind. futureplans? noch ne platte machen. wir haben aber noch einiges vorher zu klären.
vor einem monat haben wir uns von unserem manager getrennt. er ist mit
viel geld abgehauen. habt ihr schon neue songs? wir haben ein/zwei. im januar wollen wir uns zusammensetzen und schauen, was wir haben, ob wir noch ein paar b-seiten für eine weitere single machen. es wird wohl nicht vorm sommer sein, dass wir an einer neuen "bluetones"-platte arbeiten. nach den festivals usw. vielleicht auch in deutschland? ich hoffe. das ist übrigens eine gute sache, dass unser manager
mit dem geld abgehauen ist: viele leute arbeiten nun mit uns zusammen,
die es vorher nicht gemacht haben – wegen ihm! wir wussten das
nicht! hängt vielleicht der misserfolg von "luxembourg" mit ihm zusammen? ich glaub, das ist ein punkt! aber wenn ich das sage, klingt das so, als ob ich nach einer entschuldigung suche…wir sind auch nicht gerade die modischste band der welt. und manchmal arbeitet das halt gegen uns. mit marketing kann man ne menge erreichen… ich hoffe, das wird sich bald alles ändern. das beste marketing, denk ich, ist mund zu mund propaganda, wenn die leute darüber reden. wir können uns marketing nicht leisten, deshalb arbeiten wir an mund zu mund-werbung. gute konzerte spielen und gute platten machen ist das wichtigste. vielleicht kommen wir im april wieder. wir haben guten kontakt zu einem booker in deutschland. er ist ziemlich scharf darauf, uns wieder hier zu haben. er will uns nun buchen, so dass wir dann vier monate zeit haben, um werbung zu machen. was hälst du von der "indie"-szene heute? du meintest ja, ihr seid sehr anders… wir sind eine gitarrenband. das ist ein sehr weiter bereich. ich bin
nicht so verrückt zu sagen, wir seien komplett einzigartig und
keiner klingt wie wir! wir gehören zu einem genre. wir repräsentieren
dieses brit pop ding. so richtig neu sind die aber auch nicht… das stimmt, ok, ich mag stephen malkmus. er soll ja bald ne neue platte rausbringen. teenage fanclub mag ich sehr. das sind auch keine neuen bands, oder? meine freundin hört die ganze neue musik und ich filtere das raus, was ich mag. glaubst du, dass dich die neuen bands auch beeinflussen? unbewusst auf jeden fall! ich frag deshalb, weil "luxembourg" so klingt, als wolltet ihr ein wenig so klingen, wie die großen bands zu der zeit… du meinst dieses new york ding, oder? ich glaube, das ist ein element davon. die platte klingt sehr schnell aufgenommen. die anderen eher entspannt. es sollte ein sehr direkter sound ohne akustikgitarren sein. keine soften sounds! wir hatten auch ein sehr limitiertes budget, so dass wir die idee richtig gelebt haben und eine "schnelle" platte gemacht haben. mit diesem ramones/new york dolls-mäßigen sound. an manchen stellen klingt die platte nach diesem "dirty rock´n´roll thing". es war eine befreiung diese platte an diesem punkt der karriere zu machen. ihr habt also nun mehr zeit investiert? ja, wir haben uns mehr zeit gelassen im schreiben und arrangieren als
vorher. wir hatten mehr geld, sodass wir mehr proben konnten und mehr
zeit für details hatten. das davor war malen mit einem dicken pinsel.
(interview: volker kindt / 03.11.06 / knust hamburg)
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