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interview - robert görl

am 20.04. erschien das neue album des "daf" schlagzeugers robert görl. vorab hatten wir gelegenheit, ihm ein paar fragen dazu zu stellen:

"the paris tapes" ist ihr erstes richtiges solo album seit elf jahren und enthält alte aufnahmen. musikalisch hat es auch wenig mit dem zu tun, was sie seit den 80ern veröffentlicht haben und erinnert eher an ihr erstes solo album "night full of tension".
wie kam es zu der veröffentlichung?

görl: die aufnahmen gibt es schon seit etwa 30 jahren. ich habe sie über die zeit auf kassetten in irgendwelchen koffern aufbewahrt, aber nur zwei dreimal angehört, fand es aber immer toll, dass es sie noch gibt.vor einem jahr etwa habe ich sie wieder einmal mit einer freundin zusammen angehört. die meinte, "das musst du unbedingt rausbringen. das ist wirklich tolle musik". mir gefielen die aufnahmen schon immer gut, und dann hab ich beschlossen, sie jemandem anzubieten. grönland lag auf der hand wegen der gerade bei ihnen erschienenen "daf"-reissues. denen hats auch gleich gefallen.

das info beschreibt sehr eindringlich, dass die stücke aus einer für sie sehr emotional tief
greifenden phase ihres lebens stammen. welche bedeutung haben die aufnahmen für sie heute?

görl: das ganze ist schon ein rückblick und nostalgisch. klar. es war eine wichtige zeit, in der ich mich zurückgezogen habe aus vielen dingen und vieles nicht gut ablief. wir hatten das zweite "daf"-comeback, das dann am ende der neuen platte schon wieder geplatzt war und wir wieder getrennt. das war alles wenig erfreulich. dann ging ich nach new york und habe schauspiel studiert. das hat auch nicht richtig funktioniert, weil die amerikaner mich rausgeschmissen haben, da ich da mit dem normalen touristenvisum studiert hab. zurück in deutschland lief es wieder nicht gut. ich sollte zur bundeswehr eingezogen werden, hatte da aber echt keinen bock drauf. weil es so eilig war, dacht ich, ich geh wieder ins ausland und bin dann nach paris. dort entstand für mich eine ganze romantische zeit. ich lebte ganz zurück gezogen, fast schon isoliert – ich konnte auch nicht wirklich französisch sprechen.
in einem kleinen gästehaus im norden von paris habe ich dann ganz melancholisch-romantische stücke geschrieben. es war eine zeit, in der ich mich "weggemacht", isoliert habe. deswegen die stimmung.

woher konnten sie die positive kraft nach dem schweren unfall damals schöpfen, neu zu
starten? das info liest sich so, als ob diese zeit ein wendepunkt in ihrem leben war. wie
äußerte sich das?

görl: der autounfall war ja schon nach den "paris tapes". der hat den weg der "paris tapes" gewissermaßen unterbrochen. die aufnahmen habe ich 1985 in dem gästehaus gemacht. 1988 bin ich dann zurück nach deutschland gegangen. die bundeswehr hat mich nicht mehr gesucht. darauf bin ich nach london. dort sollten die aufnahmen richtig produziert werden. sie stießen auf richtige begeisterung. es sollte eine große popproduktion werden. die air-studios waren schon mit top-producern gebucht. doch das ist dann jäh durch den unfall unterbrochen worden. dieser hat mich eher spirituell gemacht, und es hat mich nach asien verschlagen.

die stücke von "the paris tapes" sind skizzenhaft und ohne gesang. gibt es pläne, noch weiter an den stücken zu arbeiten? quasi die heutige fortsetzung?

görl: ich möchte nicht mehr an die idee anknüpfen, die ich 1988 mal gehabt habe und da eine große pop-produktion draus machen. die idee wurde ja durch den unfall unterbrochen. im moment denke ich nicht, dass ich an die aufnahmen noch einmal hand anlege.

ich finde auch gut, dass sie nun auf grönland so "untouched" herauskommen. es sind die paris tapes so wie sie waren. unbearbeitet. die musikalischen skizzen, die trotzdem sehr gut klingen.
die musik ist sehr romantisch und auch tief, ja beinahe klassische musik. mein plan ist es, das auf die bühne zu bringen. ich würde das gerne in klassischem sinne mit einem kleine ensemble umsetzen. es soll nichts verändert werden, sondern die stücke so umgesetzt werden, wie sie sind - nur eben mit einem klassischen quartett. und dazu würde ich singen. das kann man sich so vorstellen wie bei klassischen sängern. die stehen dann ja auch einfach vorne, ohne rumzuspringen oder sowas.
ich möchte mir keinen abbrechen und zehn neue texte schreiben. was aber wie die faust aufs auge passen würde, wäre alte deutsche lyrik. ganz spezielle und noch nicht so "abgenutzte". kein brecht, sondern ganz selten gehörtes.
auf der platte, die ich mit der annie lennox gemacht habe, findet sich das stück "gewinnen wir die beste der frauen". da hab ich die lyrics von walther von der volgeweide genommen. so etwas in der richtung schwebt mir vor. ganz alte deutsche lyrik. die darf man dann rechtlich auch benutzen.

die atmosphäre von "the paris tapes" hat was von 80er minimal und gleichzeitig schon ein
technoides flair.
damit treffen sie ja einen nerv aktueller musik. geht die musikalische reise wieder in diese richtung?

görl: es ist irgendwie interessant für mich zu hören, dass es auf andere so wirkt. den beat hab ich ja ziemlich minimalistisch gehalten. zeitweise habe ich echt gedacht, das kannst du nicht machen. das ist viel zu simpel.
ich finde aber, das einzige, was ins technoide geht, ist der beat. die ganzen romantischen melodien und diese ebenen halte ich eher für klassisch. für mich sind die harmonien besonders bedeutend. ein stück - ich weiß nun nicht, welche nummer es ist – hört sich an wie ein rondo, ein ballett. ganz leicht, wie ein tanz. das ist was anderes als technoid, vielleicht eher eine moderne ballettnummer.
ich sehe das eher als moderne mischung von minimalem mit einem klassischen touch. wer weiß, vielleicht spielt eines tages meine simplen parts ein großes symphonie orchester. man könnt es ja umschreiben. (lacht)

wie sieht ihr kontakt zu gabi delgado aus? hat sich mit den erneuten touren wieder eine (musikalische) nähe aufgebaut? was bedeutet ihnen daf heute?

görl: mit gabi habe ich nun eigentlich wieder ein relativ normales verhältnis. wir haben uns ja oft gestritten und ja auch ein paarmal getrennt. das ist ja bekannt.
aber wir sind reifer und ruhiger geworden. ich glaub, nun kann es gar nicht mehr passieren, dass wir uns noch so heftig streiten.
das mag aber auch daran liegen, dass der gabi inzwischen in spanien lebt. er in spanien, ich in deutschland. wir sehen uns dann einfach nur noch auf der bühne. das ist tatsächlich so. gabi kommt kurz vorher und fliegt nach einem gig morgens ganz früh wieder. er hat ja familie in spanien.
unsere zusammenarbeit ist recht gechillt und eher professionell orientiert. wir machen gigs, die man uns anbietet. die leute feiern uns ab. "daf" spielen ihre greatest hits. wir variieren da immer ein bisschen. das funktioniert ganz gut.
der "daf"-vinyl box auf grönland liegt ja eine 7'' mit zwei brandneuen nummern bei. "die sprache der liebe" und "ich bin nicht da". und da haben wir uns wieder musikalisch getroffen. das lief eigentlich ziemlich gut. wir haben uns auch verstanden. es waren echt ein paar gute tage.
wir hatten sogar angedacht, dass wir ein komplett neues "daf"-album angehen. es ist nun nicht gecancelt, aber es ist ein wenig ruhiger geworden. wie gesagt, der gabi lebt in spanien und ich hör nie was von ihm. das letzte, was ich von ihm gehört hab, ist, dass er wahnsinnig viel zu tun hat.
er macht ja auch sachen ohne musik. ich denk inzwischen, dieses jahr wird es nichts mehr mit einem "daf"-album. es ist nicht aus der welt. ich dachte, es sei akuter, aber im moment plätschert es so'n bisschen.

treten sie gerne auf?

görl: eigentlich schon. aber die wahrheit ist: "daf" hab ich schon so oft gemacht – und da geht es dem gabi ähnlich, das weiß ich – tatsächlich find ich solo-auftritte inzwischen erfrischender. das ist ja klar: "daf" ist halt der klassiker. da spielt man seine greatest hits – zum zig tausendsten mal den "mussolini" - das ist ja schön und gut. die leute feiern es auch noch heute ab und eigentlich sogar noch mehr als damals, aber für uns ist es eher so ein geschichtsteil.
wir sind inzwischen beide bei unseren solo projekten glücklicher.

was kommt nach "the paris tapes"?

görl: jetzt würde ich erst einmal gern die "paris tapes" auf die bühne bringen. ich weiß noch nicht, wie ichs schaff oder wann. du musst sowas ja erst einmal aufstellen: ein kleines ensemble, arrangements, die lyrics raussuchen, proben. das kann ein spannende zeit werden. aber das ist schon sehr, sehr viel arbeit. deswegen kann ich da auch noch keine zeit sagen. vielleicht klappt es.

welche bedeutung hat spirituelles heute in ihrem leben? sind sie noch buddhist? welche bedeutung hat musik heute noch in für sie?

görl: beides hat große bedeutung. die spiritualität hat mich nach dem autounfall nie mehr verlassen. das hat mein leben schon komplett geprägt. ich bin ein sehr spiritueller mensch geworden und dadurch wohl auch viel gechillter.
ich verbringe privat viel zeit an seen und in der natur. es ist ein meditativer zustand, den ich einfach brauche. das spirituelle ist immer da, aber ich verbinde es mit der realen welt und mit dem musikmachen. man muss ja auch seine miete zahlen, sich an gewisse regeln halten. sonst hätt ich ja auch im kloster bleiben können. und in der verbindung mit der realen welt ist auch die musik. das alles halte ich die ganze zeit in der balance. diese balance gibt mir entspannung. damit fühl ich mich wohl.

kann man die veröffentlichung von "the paris tapes" als kathartisches moment sehen? schließt es etwas ab?

görl: ich weiß nicht, ob es was abschließt. aber es stammt aus einer ganz entscheidenden phase, sodass es doch für mich wichtig war, das herauszubringen. ich hätte es sehr schade gefunden, wenn es nicht herausgekommen wäre.

sie leben in berlin. nehmen sie an dem sehr regen kulturellem leben/nachtleben teil? oder
sind sie froh, wenn sie ihre ruhe haben? wie hat man sich das heutige leben des robert
görl vorzustellen?

görl: ich bin eher der zweite teil der frage. heute bin ich froh, wenn ich meine ruhe habe. ich suche die ruhe. da komm ich wieder zu dem see. ich bin oft in der natur.
so habe ich eine wildkatze am see, die ich immer sehe. die kenn ich nun schon seit sechs jahren. und das ist toll. sowas gibt mir was.
und nachtleben kaum noch. am nachtleben nehm ich teil, wenn man mich einlädt, einen robert görl solo-auftritt zu machen. oder ein "daf" gig ist auch sowas wie nachtleben, wenn wir um elf in einem club auftreten. ich bin aber nicht mehr der typ, der am wochenende in die disko geht. das ist vorbei. ich vermiss auch nichts, weil ich bestimmt 100000mal in clubs war. ich war mein ganzes leben in clubs - ein echtes club kind...

(interview: volker kindt, 19.04.2018)

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