interview - divine comedy
mein bereits drittes interview mit the divine comedy. insofern wusste ich schon recht genau, was mich erwarten würde: ein unglaublich sympathischer und humorvoller mensch. neil hannon â the divine comedy in person. was diesmal anders war, war die doch deutlich zu erkennende erschöpfung, nicht einfach müdigkeit, sondern die erschöpfung, die einem aus dem gesicht spricht, wenn man über einen längeren zeitraum strapazen ausgesetzt ist. vermutlich hinterließ hier die tour ihre spuren. umso erfreulicher, dass hannon dennoch sehr bereitwillig und freundlich meine fragen beantwortete. erzähl mir etwas über das neue album. was passierte seit "victory for the comic muse"? was passierte nicht...!?! (lacht) aber was passierte mit the divine comedy? die vielen projekte hatten sicher einfluss auf the divine comedy... ja, sicherlich! vor allem, weil ich durch die musical arbeit nun alles
auf dem klavier geschrieben habe. ich wollte mich nicht in arrangements
verlieren. wenn ich mit dem arrangieren anfange, wird das ein großer
teil des prozesses. und das verlangsamt die arbeit ganz deutlich. "bang goes the knighthood" klingt sehr direkt. du hast also die songs erst am klavier geschrieben und dann mit einer band geprobt oder wie lief das ab? ich habe gar nicht geprobt mit niemandem. als ich ins studio gegangen
bin, wusste ich nicht, was herauskommen würde. ich hatte eine grobe
vorstellung, habe aber wenig demos gemacht, was sehr ungewöhnlich ist
für mich. ich ging ins studio, rief meinen üblichen bassisten und schlagzeuger.
wir haben nicht viel direkt zusammen gemacht. es war auch ein sehr kleines
studio. das mischpult -es gab eigentlich keins außer dem computer- war
mit uns im raum. es war eine art homerecording â nur mit einer menge
instrumente, die von dem wänden hingen. es hat viel spaß gemacht. es
sollte alles sehr spontan sein. ich hatte sogar einen engineer, der
eigentlich gar kein engineer war. er ist eher ein lokaler mischer. aber die platte kommt doch sehr reduziert rüber. sie erinnert beinah an vaudeville musik... einige songs, ja. es war diesmal etwas relaxter. ich erlaubte mir diesmal,
etwas mehr spaß zu haben (lacht) und habe versucht, nicht allzu viel
darüber nachzudenken. also ist es kein zufall, dass "bang goes the knighthood" ein wenig nach einem follow up zu dem duckworth lewis method album klingt? nein, das stimmt so nicht, weil 2/3 meines albums bereits fertig waren,
als wir mit duckworth lewis method begannen. es wurde aber in dem geist
der besonderen freude fertig gestellt. (lacht) das neue album klingt sehr traditionell und beinah "old-fashioned". ist das auch ein statement? also ich habe mich nicht mit einer philosophischen theorie hingesetzt...es
ist aber keine so schlechte frage. oftmals hatte ich zu "große
ideen" wie eine platte zu sein hatte. aber vielleicht nun, wo ich
älter werde, sehe ich meinen platz. ich brauche heute nicht mehr...(überlegt)
wahnsinnig viel aufmerksamkeit und mit geschenken überhäuft zu werden.
(lacht) mir ist es etwas mehr egal, was die leute denken. das ist ein luxus, den du dir nach all den jahren leisten kannst... ja, ich habe das gefühl, ich bin an einem punkt, wo ich mir weniger gedanken machen muss. da gibt es eine menge leute, die mir zuhören möchten. und sie scheinen nicht in absehbarer zeit zu verschwinden. also kann ich etwas entspannter sein, aber mich nicht auf meinen lorbeeren ausruhen oder so. ich genieß es nun und muss nicht die ganze zeit rennen, um stehen zu bleiben â gegen die strömung. warum duckworth lewis method? es ist wie der mount everest: weil's da ist! (lacht) es gibt keinen grund. warum nicht der name divine comedy für das projekt? nein, das ist es absolut nicht. jedesmal, wenn journalisten versuchen
zu sagen, du bist das und thomas ist das, liegen sie völlig falsch.
(lacht) es ist mehr 50/50, als du dir vorstellst. thomas kam so oft
mit ideen und ich hab nur was hinzugefügt. da sind nur ganz wenige songs,
die wir unabhängig vom anderen geschrieben haben. wird also the divine comedy unwichtiger für dich?
aber selbst wenn du musik wie etwa zu it crowd machst klingt es immer irgendwie wie divine comedy... besser als nach gary numan... (lacht) du hast ja nun dein eigenes label und auch die rechte an deinen alten platten. wird es da rereleases geben? das erzähl ich nun schon seit 5 jahren. leider ist es sehr kompliziert: zeitaufwendig und teuer. und nichts davon hab ich (lacht). vor allem zeit... du sagtest ja, bei den alten alben gab es eine menge demos. das wär doch interessant... wenn ich wüsste, wo die sind... ich seh, was ich tun kann. nächstes jahr (2011) hab ich noch nicht so viel geplant wie sonst. keine eile wegen eines neuen albums...also vielleicht kriegen wirs nächstes jahr hin. was sagt uns das artwork des neuen albums. ist schon etwas seltsam zusammen mit dem titel... ich hatte es in der hand und dachte... what the hell is going on! (lacht) das ist es, was ich wollte. (überlegt)
dazu muss man wohl erst den titel erklären: als ich jung war, liefen
immer diese britischen possen im fernsehen. man schien immer das bild
des bänkers, beamten oder politikers als bulligen gentleman mit schirm
und aktentasche zu sehen. sie endeten immer irgendwie mit dem schwedischen
au pair mit heruntergelassenen hosen und irgendwer sagte dann: "bang
goes the knighthood" (lacht) das macht das artwork sehr viel verständlicher... ja, als ich versuchte, den titel zu visualisieren, war das der einzige weg. lustig, nicht pornographisch (lacht) und, em, interessant: ich in einer badewanne, mit melone, einem hund und einem glas champagner. eigentlich wollte ich einen afghanen oder einen pudel, hatte aber unglücklicherweise nicht die zeit, sie zu besorgen, also musste ich nehmen, was ich hatte; meinen hund, einen labrador. was hälst du eigentlich von der aktuellen musikszene? nicht viel. (lacht) ich höre ne menge musik, aber nichts aus dieser
zeit. ich mag mgmt, arcade fire. und die villagers sind brilliant. die
kommen aus meinem kaff, dublin. sie sind für den mercury preis nominiert.
(seufzt) aber tatsächlich bin ich ein wenig deprimiert. mein größtes
problem ist das komplette fehlen von humor! alles wirkt so verdammt
ernst. (äfft eine stimme nach:) "oh das ist alles so wichtig!"
klar kann es wichtig sein, aber es kann auch ein wenig selbst-bewusstsein
haben. ich schaue immer mit einer rosaroten brille zurück auf die 90er,
aber da gab es zumindest ein wenig spaß. und popmusik sollte spaß sein!
(lacht) ich wünschte, ich könnte noch ein paar namen mehr aufzählen,
die ich mag. ich hör mich schon an wie ein alter sack... du hast mit "at the indie dicso" eine art hymne für die indie kids geschrieben...oder gibt es sowas überhaupt noch? ich weiß nicht, ob es sowas noch gibt. vielleicht ist es fantasie. der song zumindest war es bis zu einem gewissen grad. es gab keine indie discos, wo ich aufgewachsen bin... es geht um den teenage neil, der ein riesen indiefan war. tatsächlich war ich aber zu schüchtern, um in eine indie disco zu gehen... ich kannte das nur von auftritten, wenn sie nachher eine disko aus dem venue machten. ich weiß also nur grob, worum es geht. aber autoren müssen ja auch nicht alles in ihren büchern erlebt haben...also warum sollte es bei einem song so sein? also gehst du auch nicht mehr aus? nun, ich gehe mit meiner freundin essen oder ins kino. wir haben einen netten club, wo wir gerne hingehen. aber es ist nicht so ein "bumbumbum"-club, sondern ein netter lederstuhl club. (lacht) wir sind in dem alter, in dem man eher freunde zu hause besucht. wann ziehst du nach schweden? (lacht) das ist lustig, denn ich gehe morgen nach schweden!
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