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interview - the pains of being pure at heart

kreativ und hip â so ist berlin und auch das hotel, in dem ich die new yorker band "the pains of being pure at heart" zum interview treffe. wer hier in der lobby sitzt, schlürft latte macchiato und hat entweder ein mac book auf dem schoß oder ein smart phone in der hand. da ich mich verhältnismäßig uncool fühle und ein bisschen nervös bin, fuchtele ich ungeduldig an meinem aufnahmegerät herum. dabei beobachte ich, wie "pains"-sänger kip bermann in eine unterhaltung versunken in der ecke sitzt. als ich endlich an der reihe bin, nutzen die restlichen bandmitglieder die gesprächspause, fragen nach der nächstgelegenen apotheke und machen sich auf den weg dahin. kip steht mir derweil geduldig rede und antwort.

obwohl ich schon ein paar interviews geführt habe, bin ich davor jedes mal ziemlich aufgeregt. wie ist das bei dir: verspürst du noch nervosität, wenn du auf die bühne gehst?

ich bin nicht sicher, ob es nervosität im herkömmlichen sinne ist. aber ich hoffe stets, wenigsten durchschnittlich gut bei unseren auftritten zu sein. ich möchte auf keinen fall peinlich-schlecht spielen. so lange ich ein normales level erreiche und das publikum glücklich ist, ist alles gut.

wieso so bescheiden?

ich stehe nicht auf selbstverherrlichung. ich liebe es, songs zu schreiben und musik zu spielen, aber ich halte mich nicht für einen wahnsinnig interessanten oder überwältigenden performer. ich habe keine tollen moves und sage "yeah, ich werde euch heute abend rocken!"

ist es dir wichtig, dass leute eure musik wirklich mögen?

für mich ist die freude der zuhörer im grunde eine erwartung, die ich an unsere musik stelle. wenn wir konzerte spielen, hoffen wir, dass die leute eine tolle zeit haben oder sie durch unsere musik das leben ein bisschen mehr genießen können. von daher ist es mir in der tat wichtig, was leute über unsere musik denken. ich bin nicht immun gegen jegliche form von kritik. so ein dickes fell habe ich nicht. höchstens einen dickkopf! (lacht)

dann bist du also gerne auf tour?

ja, ich liebe es! ich hätte sonst niemals die möglichkeit gehabt, so viel zu reisen und so ausgiebig musik zu machen. ich würde wahrscheinlich die nächsten 30 bis hoffentlich 50 jahre in amerika sitzen und nichts tun. ich hätte all diese tollen erfahrungen nicht machen können. die möglichkeiten, die wir als band bekommen haben â zu reisen, konzerte zu spielen â das ist unglaublich toll!

euer großer erfolg begann maßgeblich mit der veröffentlichung eures ersten albums "the pains of being pure at heart". war euer durchbruch absehbar oder glaubst du, dass ihr einfach zur richtigen zeit am richtigen ort ward?

ich glaube, wir hatten einfach glück. es hatte nichts damit zu tun, dass wir übermäßig gut waren. es gibt dort draußen so viele bands, die sehr viel besser sind als wir und dennoch passiert denen vieles nicht, was uns passiert ist. es gibt keine erklärung im sinne von: wenn du x und y tust, wird z passieren. wir hatten einfach nur glück.

es gibt aber jede menge ratgeber wie "popstar in 100 tagen" oder "bandologie - wie man als musiker seine band zum erfolg führt", in denen behauptet wird, es gäbe eine art erfolgsrezept.

wirklich? shit, ich hätte die lesen sollenâ! nein, mal im ernst: ich glaube nicht, dass es eine kontrollmöglichkeit gibt. wenn du glücklich mit deiner musik und deinem künstlerischen schaffen im allgemeinen bist, dann ist es egal ob du erfolg hast oder nicht. denn das allerwichtigste ist, dass du tust, was du wirklich willst. ich würde es furchtbar finden, einzig auf basis gewisser trends musik zu machen. wir halten uns immer an das prinzip, dass wir nur musik machen, hinter der wir wirklich stehen.

eure musik wird oftmals mit der von "my bloody valentine" und diversen bands der c86 underground-szene verglichen. findet ihr derartige kategorisierungen ok?

ich glaube jede band versucht erst einmal aus prinzip, solche zuordnungsgedanken abzuwehren. jeder musiker hat schließlich das gefühl, etwas eigenes zu sein und zu machen. gleichzeitig kann es aber sehr schmeichelhaft sein. wir werden beispielsweise oft mit bands verglichen, die viel besser sind als wir. auch wenn wir meist große unterschiede zwischen unserer musik und der von "my bloody valentine" oder "the smiths" sehen, handelt es sich bei denen jedoch um unglaublich fantastische bands. das ist, als würde man dich mit einem filmstar wie brad pitt vergleichen. und auch wenn du denkst, ihm gar nicht ähnlich zu sehen, wirst du es nicht als beleidigung, sondern als kompliment verstehen. von daher werden wir natürlich lieber â wenn auch irrtümlich â mit großartigen bands verglichen als mit schlechten. (lacht)

am 25. märz erscheint mit "belong" euer zweites album. hat sich eure musik im vergleich zum ersten album verändert?

auf eine solche frage folgt in der regel eine sehr klischeebehaftete antwort, ungefähr so: "wir haben versucht, besser zu werden und gleichzeitig uns selber treu zu bleiben." ich glaube, die hauptmotivation von bands musik zu machen, sollte beständig bleiben. wenn wir zum beispiel ganz plötzlich so tun würden, als ob wir einen total neuen weg einschlagen und uns von unserer vergangenheit abwenden, dann wäre das doch unaufrichtig. gleichzeitig denke ich, dass es für leute, die eine musikalisch akkurate kopie des ersten albums wollen, das einfachste wäre, sich eben genau dieses noch einmal anzuhören. (lacht) für uns ist es aufregender, sich musikalisch in unterschiedliche richtungen zu bewegen und vor allem musik zu machen, für die wir uns begeistern können, anstatt zu versuchen, über die eigene musik gänzlich hinaus zu wachsen und in bedeutung und größe an einen für uns unerreichbaren punkt zu gelangen.

es geht dir also eher darum, mehr aus den eigenen musikalischen ressourcen zu machen anstatt sich neu zu erfinden?

ja. die songs sind dabei das wichtigste. wenn du dann die möglichkeit bekommst, auf professionellere art und weise als zuvor in einem studio oder mit einem guten produzenten zu arbeiten und die angst überwinden kannst, dadurch eine schlechte fließband roboter-band zu werden, (lacht) dann hast du die möglichkeit, deine eigenen songs und musikalischen ideen noch besser und interessanter werden zu lassen. es ist in jedem fall sehr aufregend, in diesen prozess involviert zu sein.

du hast den produzenten als einen faktor des entwicklungsprozesses der eigenen musik erwähnt. âbelongâ wurde von flood produziert, der unter anderem durch seine arbeit mit bands wie "depeche mode", "placebo", den "killers" oder den "editors" bekannt wurde. wie kam es zu eurer zusammenarbeit?

flood arbeitet sehr eng mit einem anderen sehr talentierten und bekannten produzenten namens alan moulder, der für viele alben verantwortlich ist, mit denen wir aufgewachsen sind, zum beispiel von bands wie "my bloody valentine", "jesus and mary chain", "smashing pumpkins", "ride" etc. ursprünglich wollten wir mit alan arbeiten, aber da er super-berühmt ist und viele wichtigere bands auf dem zettel hat, war sein zeitplan natürlich voll. er hat dann gesagt: "ich bin leider ausgebucht in dem monat, aber flood hat zeit! wie wärâs mit ihm?" es ist irgendwie absurd, dass solch "große" produzenten wie flood und alan mit so "kleinen" bands wie uns arbeiten. am ende wurde "belong" von flood produziert und von alan gemischt. wir hätten nie gedacht, dass überhaupt einer von beiden mit uns arbeiten würde (lacht) und am ende wollten es dann sogar beide. das war eine sehr aufregende erfahrung.

hast du einen lieblingssong auf dem neuen album?

oh, das ist schwer zu sagen. hoffentlich mag ich sie alle! (lacht) ich meine das nicht auf selbstverherrlichende weise sondern vielmehr derart, dass ich wohl kaum songs auf das album packen sollte, die ich nicht mag. nach dem motto: "das stück ist mist â das muss aufâs album!" (lacht) nein ernsthaft: ich weiß nicht, ob ich ein liebsten song habe. es ändert sich ständig. ich spiele wahnsinnig gern "belong" â den ersten song des albums. da kann ich ordentlich in die gitarrenseiten hauen. aber auf emotionaler ebene mag ich auch stücke wie "strange" und "too tough". im grunde verändern sich meine favoriten jeden tag. wenn dieses interview veröffentlicht wird, ist es sicher sowieso schon wieder anders. (lacht) im grunde sind alle zehn songs auf dem neuen album meine liebsten!

ihr hattet früher ein faible für verhältnismäßig lange songtitel wie "young adult friction" oder "this love is fucking right!". und auch euer bandname "the pains of being pure at heart" ist nicht gerade kurz. wie passt das album "belong" in dieses muster?

insbesondere auf unserer ersten ep befanden sich viele kurze songs mit langen namen. da dauerte es schon mal länger, die songtitel zu sagen als sie zu spielen. auf dem neuen album ging es uns vor allem darum, etwas sehr aufrichtiges, emotional direktes und einfaches zu kommunizieren und dabei nicht zwingend mit wortspielen anzugeben. sie können der emotionalen bedeutung der musik und des sounds im weg stehen. klar, ich scherze gerne. (lacht) ich mache zu 95% der zeit blöde witze. aber diesmal war es mir am wichtigsten, dass unsere songs auf möglichst direkte und wirkungsmächtige art und weise existieren.

wenn ich es richtig verstehe, spielt der song "heart in the heartbreak" vom neuen album mit einem starken kontrast. es ist ein sehr mitreißendes und tanzbares stück, doch der text ist im grunde sehr bitter und traurig.

wenn die traurigen songtexte von wirklich trauriger musik begleitet wären, wäre es unhörbar. spätestens bei der bridge will man sich womöglich umbringen. ich denke, es ist wichtig eine balance zu schaffen. deshalb liebe ich "nirvana". "nirvana"-songs sind immer fröhlich und seltsam düster zugleich. dieser reibungsmoment macht gute songs aus. traurige songs zu depressiver musik zu spielen, würde die erfahrung schwierig machen. umgekehrt wären fröhliche songs zu guter laune-musik zu zuckersüß, zu viel des guten. ich denke, es ist gut eine balance zu finden. ich finde es toll, wenn leute zu unseren songs tanzen. das ist ein aufregender gedanke. (lacht) ich bin ein furchtbar schlechter tänzer.

inwiefern wird sich die veröffentlichung des neuen albums auf eure nächste tour auswirken?

ich glaube, diesmal wird es noch aufregender. wir werden viele neue songs spielen, was uns sehr viel spaß macht. und wir werden sehen, ob das publikum genauso viel spaß und lust auf die neuen songs hat wie wir. das wird neu und spannend. im grunde aber werden wir wohl weiterhin überrascht sein, dass es überhaupt leute gibt, die wissen, dass es unsere band gibt und die zu unseren shows kommen wollen, weil sie unsere musik toll finden. wir können das immer noch nicht so recht glauben. ich sehe uns einfach nicht auf die gleiche weise wie andere bands über die ich denke "wow, die band kommt â die sind super!" ich denke eher: "die leute denken, wir sind eine richtige und gute band. ok, cool!" (lacht)

ja, und ihr seid erst am anfang. es ist gerade einmal euer zweites album. ihr könnt noch fünf weitere machen!

oh mein gott! (lacht) eins nach dem anderen. dann müsste ich ja noch 50 songs schreiben! (lacht)

hast du angst vor der zukunft?

im allgemeinen, ja. jede generation ist mit erschreckenden problemen konfrontiert, die einem das gefühl geben, sie würden das ende der welt bedeuten. allerdings sage ich mir immer, ist die welt bisher noch zu keinem ende gekommen. daher sollte man wohl versuchen, das jetzige dasein zu genießen und musik zu machen oder was auch immer. wenn du lust hast, mit einem van quer durch amerika oder europa zu fahren und shows zu spielen, dann tu es jetzt. jetzt ist es möglich und im grunde nur von ein paar ökonomischen faktoren wie spritgeld abhängig. es kann sein, dass das irgendwann nicht mehr möglich ist. solange die realität derart existiert, versuchen wir die zeit so gut es geht zu genießen und rockmusik zu spielen und spaß dabei zu haben.

also lieber im hier und jetzt leben, als sich zu viele gedanken über die zukunft zu machen?

ja, genau. schon im vornherein angst vor der zukunft zu haben, ändert eh nichts. wenn etwas schlimmes passieren wird, wird es eben passieren. aber bis dahin kann man doch die eigenen erlebnisse und erfahrungen genießen. für uns als band ist das, was gerade passiert, etwas ganz besonderes und dabei so irreal, dass wir so dankbar wie nur möglich sind. es wäre unverschämt, es nicht zu genießen. wir werden so weiter machen, bis die welt endet.

und das wird sie so schnell nicht!

ok, denn ich möchte noch so viele tolle dinge in meinem leben tun. es gibt noch so einiges, was ich vorher von meiner liste abhaken möchte. ich hoffe, dass ich sehr alt werde.

und dann wirst du deinen enkelkindern vom aufregenden band- und tour-leben erzählen.

"oh, ihr hättet dabei sein sollen. damals, im jahr 2000-irgendwas. ich habe in der ganzen welt gerockt. ihr wisst zwar heute nicht mehr, was rock ânâ roll ist, aber es war etwas sehr cooles!" (lacht) mein großvater hat früher viola in einem sinfonieorchester gespielt. er hat noch heute eine große leidenschaftlich für klassische musik und fährt jedes jahr mit anderen pensionierten musiker in eine art camp zum gemeinsamen musizieren. darauf freut er sich das ganze jahr. es ist, als würde er auf tour gehen. ich denke, die leidenschaft meines opas ist mit meiner gut vergleichbar, auch wenn es sich um unterschiedliche musikalische genres handelt. wir verstehen uns sehr gut. und es ist toll zu sehen, dass diese leidenschaft und liebe zur musik sein ganzes leben lang gewährt hat, egal ob er daneben noch einen vollzeit-job hatte oder nicht. ich denke es ist das wichtigste, dass du in deinem leben dinge tust, die du liebst. auch wenn du nur wenig zeit hast. sie können so viel im leben aufwiegen.

während dieser letzten worte rutscht kip sichtlich von der couch. er scheint ein wenig k.o. zu sein, doch der nächste journalist steht bereits in den startlöchern. ich bedanke mich für das gespräch und wünsche ihm, nicht mehr allzu viele fragen beantworten zu müssen. da er mir beteuert, liebend gerne über musik zu reden und e-mails checken im vergleich dazu hundert mal langweiliger findet, trete ich beruhigt raus in die märzsonne und versuche, sie so sehr zu genießen wie ich nur kann.

(interview: anika haberecht, märz 2011 in berlin)

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